„Hast Du einen Nachfolger? Dann hören wir sofort auf.“ Vor mehr als 73 Jahren ist Willi Matecki in das „Ball- und Konzerthaus“ des Wilhelm Matecki geboren worden, in der „Gemarkung Borbeck“.
Da gab es die Gaststätte, 1910 gegründet von Fritz Möllmann, dessen Tochter dann Wilhelm Matecki heiratet, bereits seit 27 Jahren. Matecki war der Treffpunkt im Veedel, Vereinslokal für alles, was sich in kleinen Ortsteilen so zusammenbraut, Schützen, Taubenzüchter, Karnevalisten, Fußballer, Kirchgänger, politische Ortsvereine, Skatspieler. Am kommenden Samstag, 4. September, wird bei Matecki das Hundertjährige gefeiert.
Willi Matecki tritt zunächst nur zaghaft in die Fußstapfen des Vaters, lernt Konditor bei Pape, macht 1960 den Meister. Ein ebenso trauriges wie freudiges „Wendejahr“ im Leben von Willi Matecki. Der Vater stirbt Ende September an Krebs, Willi, gerade mal 23 Jahre jung, muss die Gaststätte übernehmen, und er heiratet ein Mädel aus Mechernich in der Eifel, Renate Bauer. Deren Eltern hatten in Unterfrintrop das „Haus Kalveram“ gepachtet. Das Haus spiegelt, keine Frage, Oberhausener Stadtgeschichte. Drei Zechen, Vondern, Osterfeld und Haniel in der Nachbarschaft, wöchentlich erhielten die Bergleute ihren Sold, freitags wurde bei Matecki ausgezahlt, „Lohntütenball“. Was die Ehefrauen nicht rechtzeitig in Verwahrung nahmen, floss durch die Kumpel-Kehlen. Goldene Zeiten, kein Tag ohne Vereine, meist mehrere. Die Knappschaft zahlt hier ebenfalls wöchentlich die Renten aus. Billard wird gespielt, Willi selbst war 1955 Niederrheinmeister mit dem Queue.
Renate Matecki erinnert sich gern daran, dass sie mit der damaligen Oberhausener Oberbürgermeisterin, der großen Luise Albertz, ganz rasch Frikadellen gebraten hat, als Willy Brandt 1964 auf einer Reise durch das Ruhrgebiet, nahe bei der Gaststätte von den Essener an die Oberhausener Genossen übergeben wurde und natürlich bei Matecki einkehrte. Heino, der später mal unangemeldet reinschneit, empfängt Willi Matecki in kurzen Hosen und Badelatschen, das „Esszimmer“ des Herrn über den Tresen landet auch mal unter der Musikbox, wenn Willi beim Zapfen plötzlich niesen muss.
Familienbetrieb mit sechs Jahren Unterbrechung, von 1994 bis 2000 haben Willi und Renate Matecki die Gaststätte verpachtet: „Die Pächter wollten hier ein reines Restaurant draus machen, das konnte nicht gut gehen.“ Willi und Renate Matecki übernehmen die Gaststätte doch lieber wieder selbst. Gegen jede Vernunft, denn der eigentlich zauberhafte Vorort blutet zunehmend aus, die Lebensmittelhändler verlassen die Gegend, die Sparkasse hat nur noch ein Automatencenter, Zechen gibt es längst nicht mehr, auch viele Vereine sind Geschichte.
Mit 73 sitzen selbst die meisten Gastwirte längst im Rentnersessel, Mateckis haben keine Nachfolger. Die beiden Töchter, 48 und 34, haben kein Interesse, die Enkelin ist erst 13, Tom, der ganze Stolz des Opas, gar erst vier. Stammgäste, denen bei den Reibekuchen aus der Mateckiküche das Wasser im Mund zusammenläuft und die den wirklich guten sonntäglichen Mittagstisch, die gutbürgerliche Kost loben, sehen das mit Sorge. Wenn die Gaststätte nicht weiterlebt, gehen im Veedel endgültig die Lichter aus, sagen sie, „dann möchtest du hier nicht einmal mehr tot überm Zaun hängen“.
Ab 12 Uhr wird am Samstag, 4. September, bei Matecki das Hundertjährige gefeiert. Die angebotenen Speisen und Getränke kosten einen Euro, ab 16 Uhr macht ein DJ Programm. Abends dann tritt der in Oberhausen geborene Schlagersänger Michael Larsen auf. Oberbürgermeister Klaus Wehling hat seinen Besuch bei der Jubiläumsfeier zugesagt.