Da sitzt er da, 116 Kilo Lebendgewicht, auf seiner kleinen Terrasse vor dem Geschäft an der Marktstraße 104 und sinniert laut: „Hänschen wird Rentner“.

Hänschen Schmitz, mit 84 Jahren der älteste Einzelhändler der Innenstadt und einer der wenigen noch verbliebenen, die nicht an einer Kette hängen, setzt sich zu Ruhe. So halb. Er hat sich einen Hannoveraner zur Entlastung geholt. Als Betriebsleiter bei Fisch und Feinkost Schmitz will der 42-jährige Carsten Behrens beweisen, dass Hannoveraner nicht nur edle Spring- und Dressurpferde sind, sondern dass sie auch in Feinkost können, vor allem in Fisch. Erstes sichtbares Zeichen: ab heute steht „Schmitz“ mit einem funkelnagelneuen Verkaufswagen erstmals nach jahrzehntelanger Abstinenz wieder auf dem Oberhausener Wochenmarkt.

Carsten Behrens steigt als eine Art Betriebsleiter in eines der traditionsreichsten Geschäfte der Innenstadt ein. Josef Schmitz, der Großvater des heutigen Patrones, hatte das Geschäft 1887 zunächst an der Stöckmannstraße gegründet, war 1892 an die untere Marktstraße gezogen und 1909 dann an den heutigen Standort, als „J. Schmitz Jr. –Fisch-, Wild-, Obst-, Delicatessen- und Landproduktenhandlung“. Da führt sein Sohn Johann Schmitz das Geschäft bereits, und er wird bis zu seinem Tod das Regiment an der Marktstraße 104 führen. Erst dann kann die 3. Generation, kann „Hänschen“ Schmitz, die alleinige Verantwortung übernehmen. Mit 36 darf er seinen ersten Scheck zeichnen.

Er modernisiert behutsam, richtet im hinteren Bereich einen Stehimbiss ein, der nach und nach zu einem kleinen Restaurant wächst. Aber gravierende Neuerungen gibt es eher wenig, im Hause Schmitz pflegt man die Tradition nicht, man lebt sie. Und das will Carsten Behrens fortführen, nachdem die beiden Schmitz-Söhne sich anderweitig orientierten. Andre, der ältere, ist als Volljurist seit 2006 Staatssekretär für Kultur in Berlin. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit hatte den Oberhausener, der zuvor einige Jahre Geschäftsführender Direktor und einige Monate lang auch Kommissarischer Intendant der Deutschen Oper Berlin gewesen war, 2001 als Staatsekretär die Leitung seiner Staatskanzlei überantwortet. Karsten, der jüngere Sohn, tummelt sich seit vielen Jahren in der Gastronomie, betreibt seit acht Jahren ein hoch geachtetes Restaurant in Essen-Werden.

Carsten Behrens kommt nicht ohne Erfahrung nach Oberhausen, er hat Imbiss gemacht, einige Jahre auch einen mobilen Fischhandel auf Wochenmärkten. Seine Liebe zum Fisch hat er schon als Sechsjähriger entdeckt, da ist er erstmals mit zum Angeln gegangen. Später kam Hochseeangeln dazu. Behrens setzt, wie es bei Schmitz lange Tradition war, auf Familie. Die Ehefrau wird wohl mit dem Wagen auf dem Markt stehen, wenn der Neffe, gelernter Koch, sich entsprechend entscheidet, kommt er ebenfalls nach Oberhausen. Und der Vater auch noch.

„Dass Fisch Schmitz immer ein Familienbetrieb war, mit dieser Tradition wollen wir nicht brechen“, sagt Carsten Behrens. Gleichwohl könne sich die Kundschaft auch auf Neues freuen. Der Imbiss soll mit mediterranem Fischangebot erweitert, insgesamt verfeinert werden wie das komplette Warenangebot einschließlich der unterschiedlichen Salate. Keineswegs werde er die Klassiker vernachlässigen, Carsten Behrens selbst ist am liebsten Rotbarschfilet, Seelachs und Scholle.