Oberhausen. .
Der zweite Zyklus des Kunstsommers wurde eröffnet – und bietet leise Klangkomposition mit schillernden Nuancen.
Sie ist erwacht, will sich aufrichten. Doch etwas zieht an ihrem Fuß. Zitzen sind der weißen Frau an der Sohle angewachsen. Drei übergroße Nasenbären saugen daran. Erregung? Abscheu? Das Gesicht der Frau verrät es nicht. Es bleibt in seinem neutralen Weiß ausdruckslos und lässt den Betrachter rätselnd weitergehen – durch die zweite Ausstellung, die der Kunstverein in diesem Sommer in der ehemaligen Kranhalle der Spedition Tedden ausrichtet.
Vier Absolventen der Akademie der Bildenden Künste München hat der Vereinsvorsitzende Ortwin Goertz zum zweiten Zyklus des Kunstsommers eingeladen, ihren Dozenten eigentlich auch, doch Professor Dr. Florian Matzner ließ sich entschuldigen. Stattdessen begrüßte Goertz selbst zu dieser südlichsten Schau in der zehnjährigen Geschichte dieser Ausstellungsreihe: „Shivering Tunes“.
Shivering, das bedeutet zugleich schaudern und zittern, „der Betrachter wird beides erleben, wenn er unsere Arbeiten betrachtet und die damit erzählten Geschichten erlebt“, sagte die Münchenerin Elke Härtel (32), „Autorin“ der weißen Frau mit den Zitzen an der Fußsohle. Keines ihrer Werke trägt einen Namen, auch die Ausstellung will sie nicht an ihrem Titel festgemacht wissen: „Was uns alle verbindet, das ist die Hingabe zur Zeichnung als künstlerisches Ausdrucksmittel.“
Zeichnungen, die zwischen schwarz getuschten Flecken und feinen Bleistiftlinien Spannung erzeugen wollen. Zeichnungen, die zerschnitten und in Vitrinen und Glaskugeln wieder zusammen gesetzt, neu komponiert werden. Großflächige Zeichnungen sind es, die vom Säen und Ernten erzählen, und kleinteilige Bilder, die den Alltag als Kurzgeschichte ohne Anfang und Ende erzählen.
Allesamt sind diese Werke weiß, eingehüllt in das fast weiße Licht der Glühbirnen. Eine Ausstellung ohne viel Farbe und dennoch ist sie nicht farblos: Facettenreich erzählt sie in schillernden Nuancen von Wahrnehmung und Perspektive, von Mensch und Natur, vom Gewöhnlichen, in dem das Besondere wartet.
Über allem tänzeln die Figuren von Sebastian Pollmann (31), die er vom Blatt gelöst und denen er über Kameratechnik und Projektor lebendige Dreidimensionalität und Handlung verliehen hat. Und Farbe! Zwischen seinen fast fratzenhaften Figuren blitzen bunte Elemente auf, gezielt und an Schlüsselpositionen: die rot lackierten Fingernägel einer anrüchig dasitzenden Frau, der gelbe Ohrring eines gejagten Wilden, die herausgestreckte Zunge eines Mannes im Geschlechtsakt. Laute Zwischentöne in dieser leisen Komposition? „Nein, auch Farbe kann leise sein“, erklärte der Künstler, „sie klingt nur anders.“
Öffnungszeiten: Eintritt frei
Die Ausstellung der vier Meisterschüler aus München in der ehemaligen Kranhalle der Spedition Tedden, Mühlenstraße 125, kann immer samstags und sonntags zwischen 13 und 17 Uhr sowie nach Vereinbarung besucht werden. Der Eintritt zum zweiten Zyklus des Kunstsommers ist wie immer frei. Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.kunstverein-oberhausen.de.