Andreas Stahl, Leiter des Familienbüros Oberhausen, fühlt sich heute wie „Freudibold“. Das verrät zumindest der kleine Pappaufsteller auf seinem Schreibtisch. Je nach Gemütslage kann man sich eine andere Figur aus der Augsburger Puppenkiste aussuchen. Es gibt auch noch „Zornibold“, „Heulibold“ oder „Bibberbold“. Heute ist es also der lächelnde „Freudibold“. In Berlin wurde gestern über die Einführung einer Chipkarte für Kinder aus Hartz-IV-Familien debattiert. Dass grundsätzlich über die Bedürfnisse des Nachwuchses gesprochen wird, findet Stahl gut. Er und seine beiden Kollegen kümmern sich um Familien in Oberhausen.
Zur Erinnerung: Die Sätze für Kinder aus Hartz-IV-Familien müssen neu berechnet werden. Das hatte das Bundessozialgericht der Politik mit auf den Weg gegeben. Nach den Vorstellungen von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen soll es für die Kleinen eine Chipkarte geben. Mit dem darauf geladenen Geld könnten die Jungen und Mädchen Nachhilfe bezahlen, ins Schwimmbad gehen, Vereinsbeiträge entrichten oder ein Instrument lernen. „Ich bezweifle, dass eine Karte allein mehr Jugendliche in die Musikschule bringen würde“, sagt Andreas Stahl.
27 956 Oberhausener unter 15 Jahren leben in Oberhausen. Davon sind 7388 Kinder (26,4 Prozent) auf Hartz-IV angewiesen. Ende des Jahres sollen 3000 Familien zu ihrer Situation befragt werden und die Ergebnisse für eine Neuauflage des Familienberichts ausgewertet werden. Dabei geht es um das Umfeld, in dem die Kleinen aufwachsen, aber auch um Ernährungsfragen oder darum, wie viel sie sich bewegen. Würden danach neue Angebote gemacht, etwa damit die Kinder sportlicher würden, sollten alle davon profitieren. Gebe es eine Karte nur für die finanziell schlechter gestellten, würden diese tatsächlich stigmatisiert.
Stahl spricht sich dafür aus, dass Geld in die Infrastruktur und die Qualität der Einrichtungen zu investieren. „Um viele zu erreichen, sollte man lieber den Kindergarten kostenlos machen oder die Offene Ganztagsgrundschule ausbauen.“ Mehr Personal würde kleinere Gruppen ermöglichen und die Förderung der einzelnen Kinder erleichtern. Somit erhielten diese größere Bildungschancen.
Die Angebote sollten dort unterbreitet werden, wo sich die Kinder ohnehin aufhalten, etwa in den Schulen. Den gleichen Weg gehen das Familienbüro und seine Kooperationspartner bereits bei der Erziehungsberatung, wenn die Mitarbeiter in Kindergärten gehen und dort den Eltern ihre Hilfe anbieten. Stahl: „Elternberatung ist ein ganz wichtiger Punkt, wenn es um diese Fragen geht.“
So viel ist allerdings auch klar: Mit Blick auf die jetzige finanzielle Situation Oberhausens bleiben alle Neuerungen, die derzeit in Berlin diskutiert werden, Wunschdenken – sofern es sich um freiwillige Leistungen handelt und die Kommune die Karte für alle Kinder einführen wolle. Dies wäre eine freiwillige Leistung. Die Stadt ist pleite, da gibt’s nichts mehr zu verteilen. „Wir haben ja schon eine Karte im Angebot, die derzeit von 5500 genutzt wird.“
Allerdings gibt da die Stadt nicht selbst Rabatte, sondern externe Anbieter, darunter die Ludwig Galerie oder das Sea Life. Stahl fürchtet zudem den organisatorischen Aufwand, wenn sämtliche Stellen neue Kartenlesegeräte anschaffen müssten. „Wie das ein ehrenamtlich geführter Sportverein leisten soll, ist mir ein Rätsel.“ So ein Chip könne nur eine Ergänzung sein.
Derweil berechnen Experten in Berlin gerade, wie hoch der Mehrbedarf der Kinder tatsächlich ausfällt. Bleibt zu hoffen, dass Andreas Stahl beim Blick auf die Details immer noch in „Freudibold“-Stimmung ist.