Sie ist schon was ganz Besonderes, diese Hühnerheide. Zumindest, wenn man ihre Bewohner befragt. Denn nicht Hühner und Heide haben sich in der kleinen Schmachtendorfer Siedlung niedergelassen, sondern der Bergmann, seine Frau und mancher Kostgänger. Und das vor hundert Jahren – Grund genug, um zu feiern, finden die heutigen Hühnerheidener.

Jede Menge Dönnekes haben die Männer der Siedlung zu erzählen, wenn „von früher“ die Rede ist. Etwa, wie sie als „Piccolos“ im Badebombenloch schwammen. „Wer als erster reinsprang in dem Jahr, dem gehörte der Krater den ganzen Sommer“, erinnert sich Franz Eckl. Glückliche Kinderaugen in einem 68-jährigen Männergesicht. Von den vielen Tieren hier erzählen sie, von den Tauben, die die Bergmänner hielten und einer gewitzten Dohle, die ihnen Pfannekuchen aus Nachbars Küche stibitzte. Wie sie den Förster Knichel ärgerten und Schlingen für die Karnickel auslegten und einsturzgefährdete Baumbuden bauten.

Leicht war das Leben aber auch hier in den Anfangszeiten der Bundesrepublik nicht, es wurde viel gearbeitet und manches mal geschmuht, damit mehr übrigblieb vom Kuchen. Etwa, wenn eines der vielen Schweine geschlachtet wurde, die die Bergmänner in kleinen Ställen am Haus hatten. Damit er ein Auge zukniff, verlangte der Trichinenbeschauer von Hans-Dieter Gotthards Vater einen Teil des geschlachteten Tieres. „Die haben dem sein Schwein in den Rucksack gepackt und ihn mit selbstgebranntem Schnaps abgefüllt“, kann sich der heute 69-Jährige erinnern. Mitten in der Pampa wurde der besoffene Fleischkontrolleur dann ausgesetzt, und zwar ohne seinen Rucksack. „Fahrrad weg, Schwein weg – ich kann mich an nichts erinnern“, stöhnte der Gierige Tags darauf und erntete nur Achselzucken.

Günstige Wohnungen für die Bergarbeiter der Zeche Hugo Haniel


Gebaut wurde die Siedlung 1910 im Auftrag der Gutehoffnungshütte für die Bergarbeiter der Zeche Hugo Haniel. Heute ist sie privatisiert und die meisten Häuser Eigentum. Wobei jeder mit dem eigenen durchaus Eigenes angestellt hat. Schuppen hier, Garage da, wild gewachsen sieht die Vielzahl der Fassaden, Anbauten und Zäune aus. Ein paar wenige Mietshäuser sind noch darunter, die Mieter haben Wohnrecht auf Lebenszeit.

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Von Géraldine Lakermann

Hundert Jahre nach dem Bau wollen sich die Bewohner der Hühnerheide natürlich nicht lumpen lassen und haben für das Wochenende 28. und 29. August ein Straßenfest auf die Beine gestellt. Das wird zwar jedes zweite Jahr sowieso hier gefeiert, aber dieses Mal kommt Bürgermeisterin Elia Albrecht-Mainz zur Eröffnung auf den Lindenplatz. Für die große Tombola haben Organisator Norbert Grünheid und die anderen attraktive Preise zusammengetrommelt, etwa Ballon- und Grubenfahrten, eine Reise nach Berlin und eine nach Strasbourg. Rainer Huth hat vor einigen Jahren über die Siedlung ein Buch zusammengestellt, das zwar vergriffen ist, aber zum Jubiläum als Festschrift Wiederauferstehung feiert.

Wer poussieren kam, der wurde von den Jungs verjagt


Huth räumt denn auch mit einigen Vorurteilen in Sachen Bergmann auf. Dass zum Beispiel die Kostgänger, heute würde man Untermieter sagen, wie die der legendären Emma Stelzer immer Krösken mit der Hausherrin gehabt hätten. Huth hat in den Siebzigern in die Siedlung eingeheiratet und da hat er irgendwie Glück gehabt, wie er findet. Denn gerade noch haben die anderen „Jungs“ erzählt, wie das war, „wenn einer in die Hühnerheide kam, um mit einem Mädchen zu poussieren. Der wurde in Empfang genommen und – naja, nicht verprügelt, aber verjagt.“

So war das, damals, in der Hühnerheide.