Kim Spyrka ist schlank und schlaksig. Fast wirkt es, als könne der Wind sie jeden Moment von ihrem Einrad wehen. Aber Kim ist Profi, schließlich macht sie das schon seit vier Jahren. Behende zirkeln ihre langen Beine auf und nieder. Beim „Action-Guide“-Programm der Evangelischen Christuskirche ist sie eine der Leiterinnen – mit zwölf Jahren.

„Am meisten Spaß macht es mir, wenn die Kinder hier Erfolg haben“, sagt die alte Häsin, warum sie sich im Rahmen des Ferienprogramms „Balance, Einräder und Co.“ ehrenamtlich engagiert. „Und mit den anderen zu fahren“, sagt sie grinsend hinterdrein. Bis dahin ist es allerdings ein langer Weg: Erst halten zwei Helfer die Hand, dann einer, „bis man schließlich alleine fährt“. Sara Schmitz-Jeromi radelt nach fünf Tagen immerhin schon „zu zweit“. Warum sie hier ist? „Meine Pflegemutter hat gesagt, geh da mal hin“, sagt die Zehnjährige. Also ging sie hin – und fand es gut.

Viele der Kinder, die in der vergangenen und in dieser Woche jeden Nachmittag ins Haus Bethel an der Grenzstraße gekommen sind, spielen sonst auf dem Spielplatz an der Blücherstraße um die Ecke, der von der Gemeinde pädagogisch betreut wird. Tanz, Pyramidenbauen, Einrad, Diabolo werden angeboten, „wir wollen die Kinder in Bewegung bringen“, sagt Jugendleiterin Ute Folly. Denn Bewegungsarmut, Fehlernährung und Übergewicht seien ein Problem bei vielen Kindern in der Innenstadt. Diabolos sind auch auf dem Spielplatz Ausleihmaterial, also lag es nahe, „die Kinder da abzuholen“. Außerhalb der Ferien bietet die Christuskirchengemeinde auch eine Einradgruppe an – wer also in den Ferien Blut geleckt hat, kann auch hier weitermachen.

Der Himmel ist den Einradfahrern gnädig


Gott sei Dank ist der Regen gnädig und fällt ein Stündchen lang nicht aus dem wolkenlosen Himmel. Ansonsten wäre die Einradtour heute nämlich ins Wasser gefallen – innen im Haus ist das Rad tabu, denn der Holzboden ist gerade neu verlegt worden. Dafür wirbeln Christian Caro und Janine Giga-Fergusson sich gegenseitig ihre Diabolos zu. Hoch durch die Luft, und meistens, fast immer, fangen sie die rotierenden Trommeln in der Luft wieder auf. „Ach, ich bin eher ‘ne Lusche“, meint die zehnjährige Janine, eher einen „fortgeschrittener Anfänger“ nennt sich Sozialarbeit-Student Christian Caro. Er arbeitet sonst gemeinsam mit Stefanie Türk auf dem Blücherspielplatz. „Das Diabolo ist toll, um mit den Kindern warm zu werden“, meint er. Mit Keanu Mader etwa, der fast jeden Tag auf dem Spielplatz ist, wie er sagt. „Diabolo fand ich interessant, auf Pyramide hatte ich keine Lust mehr“, sagt der Zehnjährige und zeigt das „Trapez“, einen eleganten Trick, bei dem das Diabolo um den Faden geschwungen wird. Drinnen tanzt eine Horde Mädchen mit Hula-Hoop-Reifen. Dann ist Pause. Mit Wasser und Saft, Apfelschnitzen und Wassermelone.

Am Freitag ist dann großer Bahnhof im Bethel-Haus, Eltern und Geschwister kommen zur Aufführung der Feriengruppe. Sara weiß noch nicht, ob sie mitmachen will, „Lampenfieber“. Janine kann gar nicht, will aber unbedingt: „Vielleicht kann ich meine Mutter ja noch überreden. Und wenn ich ihr dafür die Füße küsse.“

Positive Bilanz der Ferienangebote


Wer sagt eigentlich, dass man nur ganz weit weg einen aufregenden Urlaub verbringen kann? Über 500 Jugendliche haben in diesem Sommer an den „Action Guide“-Aktionen der Stadt teilgenommen, viele andere Dutzend Kinder an den Ferienspielen. Die Zahlen sind natürlich noch nicht ganz komplett, schließlich sind die Ferien noch nicht ganz vorbei.

Die Liste, was man alles zu Hause erleben kann, ist lang: Die Kinder haben Hüllen für ihr Handy selbst genäht, beim Kartfahren ausprobiert, wie schwierig es wirklich ist, mit Michael Schumacher mitzuhalten oder sich mit Graffiti ganz legal verewigt. Die Organisatoren treffen den Geschmack der Zielgruppe: „Diesmal waren besonders die Sportangebote gefragt“, erklärt Margret Inger, Sachbearbeiterin beim Jugendamt. Dabei haben sich auch Mädchen an typischen „Jungen-Aktionen“ beteiligt, waren ebenfalls mit Karts unterwegs. „Die konnten die Herren auch irritieren, haben aber dennoch leider nicht gewonnen“, berichtet Margret Inger. Viele der Jüngeren, die die Ferienspiele erlebt haben, besuchen später „Action Guide“-Aktionen. „Das baut aufeinander auf.“