Propst Bernward Mezger beurlaubt. Diese Nachricht drückte der vergangenen Woche ihren Stempel auf. Leserbriefe und Kommentare im Internet belegen, wie sehr der Vorgang die Menschen bewegt.
Und wie immer, wenn Emotionen im Spiel sind, haben es Fakten schwer. Eine Aufzählung der wichtigsten ist daher geboten:
- Das Generalvikariat des Bistums Essen veröffentlichte den Fall Mezger. In einem Schreiben vom 6. August, das am vergangenen Wochenende in den Gottesdiensten verlesen wurde.
- Diese Zeitung berichtete am 10. August und konkretisierte dabei die Vorwürfe, die das Bistum mit der Formulierung, Mezger solle „seine Lebenswirklichkeit im Dienst als Priester und die mit der priesterlichen Lebensform verbundenen Konsequenzen in Ruhe überdenken“ umschrieben hatte.
- Propst Mezger wird keine Straftat vorgeworfen, sondern ein Verstoß gegen den Zölibat.
- Es spielt dabei keine Rolle, ob der Propst Männern oder Frauen zugeneigt ist.
- Es geht einzig und allein – aus Sicht der katholischen Kirche – um die Frage der Glaubwürdigkeit eines Priesters.
- CDU-Bürgermeister Klaus-Dieter Broß hat diese Zeitung nicht informiert.
- Propst Mezger selbst hat dieser Zeitung gegenüber auf Anfrage seinen Usernamen Turtur mitgeteilt und Ausschnitte aus seinem Profil gezeigt.
- Die dieser Zeitung vorliegenden Ausdrucke dieses Profils berechtigen zu Zweifeln an der Darstellung des Propstes, seine Mitgliedschaft in der Schwulen-Community habe allein dem Gedankenaustausch gedient.
- Der User namens Turtur gibt intimste Details bekannt und verweist unter dem lateinischen Zitat „Mundus vult decipi ergo decipiatur“ (Die Welt will betrogen sein, drum sei sie betrogen) auf mehrere Links, die auf eine Schwulen-Porno-Seite verweisen.
So weit die wichtigsten Fakten.
Das Bistum Essen selbst hat sich der Chance beraubt, den Fall Mezger in Ruhe und nicht-öffentlich zu bewerten und gegebenenfalls Konsequenzen zu ziehen. Seit Mai waren die Vorwürfe aktenkundig; einem Priester zufolge, der sich in der Redaktion meldete, handelte es sich gar seit geraumer Zeit „um ein offenes Geheimnis“.
So oder so. Bernward Mezger ist ein Opfer. Ein Opfer der katholischen Glaubenslehre. Der Zölibat ist wider die Natur. Das Festhalten an diesem lebensfremden Dogma ist eine Sünde. Gleichwohl hat der Propst sein Schicksal, wie immer es am Ende kommen mag, selbst zu verantworten.
Es erstaunt schon sehr, wie dieser allem Anschein nach eindeutige Regelverstoß von vielen Gläubigen schulterzuckend hingenommen wird und Klaus-Dieter Broß als Denunziant als Sündenbock abgestempelt wird. Was, wenn er es wirklich aus katholisch-christlicher Überzeugung getan hätte? Darf er das eigene Regelwerk nicht ernst nehmen? Darf er sich nicht sorgen, dass der Pfarrer einer Gemeinde mit rund 38 500 Seelen ein Doppelleben führt, das eines Pfarrers nicht würdig ist?
Broß hat das Bistum gebeten, Mezgers Tun zu prüfen und zu bewerten. So viel, immerhin. Aber mehr auch nicht.
Katholische Priester zahlen mit dem Zölibat einen hohen Preis. Aber mit der Berufswahl kaufen sie auch ein: eine sichere Existenz, in der Regel ein hohes Ansehen, gute Karrierechancen – und nicht zu vergessen: Macht.
Jeder Otto-Normal-Gläubige dürfte sich in seinem Job einen vergleichbaren Regelverstoß wohl kaum leisten, ohne gefeuert zu werden. Zeit zum Nachdenken und vermutlich ein anderer Job im Bistum sind dagegen ein wahrhaft christlicher Akt.
Und sonst?
Nichts sonst.
Schönes Wochenende.