Die Russin Elena Shatravina wird im Evangelischen Krankenhaus wegen einer Brustkrebs-Erkrankung behandelt. Sie brauchte dringend finanzielle Unterstützung

Elena Shatravina hatte nichts weiter zur Hand als einen Kugelschreiber und Blätter hellblauen oder weißen Papiers. Doch das reichte der 48-Jährigen, um die Szenerie festzuhalten, die sich ihr beim Blick aus einem Fenster des Evangelischen Krankenhauses (EKO) offenbarte. Die Russin, an einer besonders aggressiven Form des Brustkrebses erkrankt, wird dort behandelt. In ihrer Heimat war sie dem Tod geweiht, hier nun gibt es für sie Hoffnung.

Die Frau aus Moskau, Mutter von vier Kindern, kam mit Hilfe von Olga und Igor Arseniev nach Oberhausen, die nicht nur eine Ferienwohnung in der Stadt vermieten, sondern auch Auslandsaufenthalte für Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion organisieren, die sich hier behandeln lassen möchten.

Die Künstlerin, Malerin, Restauratorin und Lehrerin Elena Shatravina wurde übers Internet auf Arsenievs aufmerksam. Als ihr bewusst geworden war, dass sie in ihrer Heimat sterben würde, hatte die Frau voller Verzweiflung nach Behandlungsmöglichkeiten im Ausland geforscht. Zunächst stieß sie auf einen Service für ausländische Patienten in Israel. Und wurde gefragt: „Haben Sie 100 000 Dollar?“ Völlig indiskutabel für die mittellose Familie. Zumal die Frau ihren Job als Lehrerin aufgrund der Krankheit aufgeben musste. Der Mann als Restaurator auch nicht die Welt verdient.

Zum Glück stieß sie dann auf Arsenievs. Die ihr einen bezahlbaren Service boten, der Frau sogar Geld liehen. „Wir sind keine Samariter, wir wollen auch verdienen, aber das ist ein besonderer Fall“, sagt Igor Arseniev. Und er lobt dann auch die menschliche Seite des EKO. Dort wurde die Moskauerin zunächst operiert. Kostenpunkt: 5600 Euro. Und reist nun für jede Chemotherapie eigens wieder an. Dabei kann sie sich nicht jedes Mal einen Flug leisten, muss mit dem Bus fahren. 30 Stunden nach einer Kräfte zehrenden Chemo. Aber das Gute ist: Die Frau musste nicht die komplette Behandlung im Voraus tragen, sondern kann Chemo für Chemo bezahlen, so Arseniev. Die Chemotherapie wird noch einmal 10 000 kosten (plus 5000 Euro für die Arztbehandlung). Und dabei hat Elena Shatravina schon die günstigere Behandlung gewählt. Damit werden ihr Überlebenschancen von 60 bis 70 Prozent eingeräumt. Arseniev: „Es gibt bei dieser aggressiven Form des Krebses eine wirkungsvollere Behandlungsmethode mit Herceptin, aber für die hätten 50 000 Euro gezahlt werden müssen.“ Damit wären die Heilungschancen der Frau gleich auf 70 bis 80 Prozent gestiegen. „Diese Behandlung“, sagt Arseniev, „könnte auch noch im Anschluss an die jetzige durchgeführt werden. Und ein bisschen haben er und seine Frau die Hoffnung, dass sich ein Sponsor für Elena Shatravina findet.

Die Familie der Frau hat schon alles verkauft, was sich verkaufen ließ. Hat die Wohnung beliehen. Arseniev: „Wenn sie in Russland das Geld an die Bank nicht zurückzahlen können, stehen sie ganz schnell auf der Straße.“ Und wenn sie dann noch von ihrem Spießroutenlauf durch das russische Medizinwesen berichtet, erhält man eine Ahnung, was sie und ihre Familie schon jetzt alles durchgemacht haben.

Es gibt eine bessere
Behandlungsmethode

Eine Klinik, in der man sie hätte behandeln können, gehörte nicht zu ihrem Wohnbezirk. In einer anderen hatten sie nicht die medizinische Kompetenz für die Chemotherapie. In einem onkologischen Zentrum schleppte sie sich neun Stockwerke hoch, weil der Fahrstuhl für Patienten defekt war. „Sie sah dort all die schwer kranken Menschen mühsam die Treppe nehmen und sich selbst auch schon in dieser Rolle.

Und jetzt sitzt sie nach einer Chemotherapie bei Arsenievs am Esstisch. Ein Tuch auf dem Kopf, weil die Haare sind schon fast alle ausgefallen. Und sie hat vor sich ihre Zeichnungen ausgebreitet, hat mit schnellen Strichen den Blick aus ihrem Krankenhauszimmer immer wieder aufs Papier geworfen. Lenkt sich ab mit den Zeichnungen, denn was die Zukunft bringen wird, das ist ungewiss.

Bundesweit, besonders in den medizinischen Zentren großer Universitätsstädte wie München, Berlin oder Hamburg, soll es einen Kranken-Tourismus geben. In Oberhausen werden auch Patienten aus dem Ausland behandelt, allerdings eher in Ausnahmefällen, so Vertreter der Kliniken.

Die Helios-Privatklinik in Oberhausen behandelt nur vereinzelt Patienten aus dem Ausland, verdeutlicht Stefan Boeckle, zuständig für internationale Patienten und Sprecher der Helios-Privatkliniken. Die Helios-Privatkliniken mit ihrer Plattform ‘Helios-healthcare-international’ behandeln besonders in Großstädten Patienten aus der ganzen Welt, aus den ehemaligen GUS-Staaten, Russland und dem arabischen Raum. Krebsleiden, orthopädische oder neurochirurgische Eingriffe führten sie in deutsche Kliniken. Zu Werbezwecken nehmen Vertreter der Helios-Privatkliniken und des Mutterkonzern Fresenius auch an einer Messe in Dubai teil. Dennoch, so Boeckle: „Von den 600 000 stationären Patienten, die wir bundesweit versorgen, machen die ausländischen nur einen sehr, sehr geringen Teil aus.

In den Katholischen Kliniken Oberhausen werden zurzeit keine Patienten behandelt, die extra angereist wären, erklärt Sprecherin Kathrin Fenner. Allerdings würde man dort auch gerne Patienten aus dem Ausland aufnehmen, wenn Anfragen kämen.

Im Evangelischen Krankenhaus liegt der Anteil der ausländischen Patienten unter einem Prozent der Gesamtauslastung“, so Sprecher Nicolai Werner. Patienten, die dort zu einer Behandlung anreisten, kämen größtenteils aus dem arabisch-sprachigen Raum und dem Osten.

Peter Tischmann, Geschäftsführer des St.-Clemens-Krankenhauses, sagt, dass sie natürlich auch an Patienten aus dem Ausland interessiert seien, aber eher selten welche behandelten. „Was wir machen, sind Notfallbehandlungen für Kinder aus dem Friedensdorf.“ Aber das sei unter dem Aspekt der Nächstenliebe zu sehen.

Auf einen Wermutstropfen in Sachen Privatpatienten, und ausländische Patienten zahlen privat, weist der Verband der privaten Krankenversicherung (PKV) hin. Manche Kliniken widmen Stationen um, gründen Privatkliniken, die in der Preisgestaltung „freier“ sind, sprich, überhöhte Gebühren nehmen dürfen.