Duisburg/Oberhausen. .

Die Stadt Duisburg plant, die Trauergaben vom Ort des Loveparade-Dramas zu entfernen und in einem Glaskasten im Innenhafen auszustellen. Dagegen formiert sich Widerstand. Oberhausener Christian Vögeling plant eine Demo.

TChristian Vögeling (29) aus Oberhausen trauert um seine beste Freundin. Michaela (29) aus Gladback verlor bei der Loveparade ihr Leben . Foto: Thomas Nitsche
TChristian Vögeling (29) aus Oberhausen trauert um seine beste Freundin. Michaela (29) aus Gladback verlor bei der Loveparade ihr Leben . Foto: Thomas Nitsche © WP

Schluss mit der Trauer am Ort des Unglücks? Gegen die Art der Aufarbeitung der Loveparade-Katastrophe in Duisburg formiert sich vor allem auch unter Oberhausener Betroffenen heftiger Widerstand.

Christian Vögeling und seine Mitstreiter planen bereits für den 19. August um 16 Uhr eine möglichst große Demonstration vor dem Duisburger Rathaus (Burgplatz 19). Der 29-jährige Oberhausener verlor bei der Loveparade seine langjährige Freundin. „Sie wurde totgetreten“, sagt Vögeling noch heute völlig schockiert. Umso mehr stoßen ihm, „aber auch vielen anderen Betroffenen“, die Pläne der Stadt Duisburg auf, den Karl-Lehr-Tunnel nach sechs Wochen wieder für den Verkehr freizugeben. Der „Bürgerkreis Gedenken“, der aus Vertretern von Duisburger Bürgervereinigungen, Künstlern und Stadtverwaltung bestehe, habe beschlossen, am 4. September sämtliche Trauergaben in einen Glascontainer zu verfrachten.

Noch kein Ort

„Die Kerzen, Kränze und Plüschtiere sollen dann im Innenhafen in der Nähe des Stadthistorischen Museums aufgestellt werden“, sagt Vögeling. Nicht nur er fragt sich: „Was bitte, hat der Innenhafen mit diesem Loveparade-Unglück zu tun?“ Außerdem wisse ja niemand, wie lange „der Glaskasten neben dem Museum stehen bleibt“. Es sei zwar eine dauerhafte Gedenkstätte für die 21 Toten und mehr als 500 Verletzten geplant. Aber: „Noch hat die Stadt dafür keinen geeigneten Ort gefunden.“

Wie hunderte andere Betroffene auch, sucht Vöge­ling den Unglücksort noch heute täglich auf. Er und seine Mitstreiter meinen: „Hier ist der Ort unserer Trauer — hier sollte eine würdige Gedenkstätte entstehen und nicht nur eine Tafel an das Geschehen erinnern.“ Rund 1700 Unterschriften Gleichgesinnter haben die Oberhausener bereits gesammelt. „Es werden täglich mehr.“ Und noch etwas stößt den Trauernden bitter auf: „Für die Einrichtung der Gedenkstätte soll ein öffentlicher Künstler-Wettbewerb ausgeschrieben werden.“ Christian Vögeling kann es nicht fassen: „Respektloser kann man mit trauernden Menschen nicht umgehen!“ Von der Stadt Duisburg war am Mittwoch übrigens keine Stellungnahme zu erhalten.

Wer sind die Opfer?

Foto: afp
Foto: afp © AFP

Wer ist Opfer? Die Menschen, die bei der Loveparade gestorben sind? Ihre Angehörigen? Die Menschen, die mit Verletzungen davon kamen? Sicher. „Aber es gibt viel mehr“, sagt Erika Schöning-Wer Höpken. Die Oberhausenerin ist Trauerbegleiterin, betreute in der ersten Woche nach der Katastrophe fast 30 Betroffene, so manchen davon begleitet sie bis heute.

Sie führte Gespräche mit Menschen, die verkeilt auf der Erde lagen und sich nicht befreien konnten. Auf die getreten wurde, die von irgendwem dann doch noch am Arm herausgerissen worden sind. „Ich wurde gerettet, aber weiß nicht einmal von wem“, ist nur ein Gedanke, der eine junge Frau beschäftigt.

„Eine Jugendliche, sie ist 1,60 Meter groß, drohte in der Menge zerquetscht zu werden, bis es drei jungen Männern, die in der Nähe standen, gelang, ihr mit ihren Ellenbogen Luft zu verschaffen“, berichtet Schöning-Höpken.

In Höchster Not

Todesangst, Ohnmacht, Verlustangst, aber auch Hilfsbereitschaft in höchster Not erlebten etliche Loveparade-Besucher. „Doch viele leugnen ihr Trauma zunächst“, hat die Trauerbegleiterin erfahren. „In einem Fall rief einer der Polizisten den Chef eines Mädchens an, weil dieses am nächsten Tag unbedingt wieder zur Arbeit gehen wollte.“

Langfristige Hilfe ist nötig, meint die Expertin. Auch für die Menschen, die andere sterben sahen, die eingeklemmt in der Menge standen, nur äußerlich unverletzt der Katastrophe entkamen. „Es muss etwas getan werden, bevor die seelischen Verletzungen zu ernsthaften Erkrankungen führen.“ Leider sei die Frage der Finanzierung der Hilfe gerade für diese Menschen noch ungeklärt. Das bestätigt auch Wolfgang Riotte, Ombudsmann der Loveparade-Opfer: „Der 1-Mio-Euro-Hilfsfonds ist nur für die gedacht, die im Zusammenhang mit der Loveparade stationär behandelt wurden.“