Oberhausen. .
Da schwindelt es einem beinahe: Herbert Lenhart (53) listet auf: Todesermittlungen, Tötungs- und Sexualdelikte, Brände, Vermisste, Rotlicht, häusliche Gewalt, Nachstellung, Tierschutz, Umweltschutz. All das fällt in den Bereich des Kriminalkommissariates 11, dessen Leiter Lenhart ist.
Vier Frauen und elf Männer gehören zum KK 11. Und sie erfahren die Menschen aus allen nur erdenklichen Perspektiven. Der 53-Jährige erzählt so eine Geschichte, die „sie nur erleben, wenn sie sich mit den Dingen auseinandersetzen“. Er erinnert an einen Mann, der im Bordell sein Leben aushauchte. „Die Ehefrau rief mich später an, bat, die Prostituierte kennen zu lernen, bei der ihr Mann gestorben war.“ Lenhart setzte sich mit der Frau in Verbindung, einer 45-jährigen Brasilianerin. Die war mit einem Treffen einverstanden. Der Kommissar begleitete die Ehefrau zu dem Termin. Und plötzlich fand er sich zwischen zwei weinenden Frauen wieder, die beide um den einen Mann trauerten. Und irgendwie hatte es die Ehefrau wohl auch beruhigt, dass sie es nicht mit einer 20-Jährigen zu tun hatte.
Es gibt übrigens nur ein Bordell in Oberhausen. Aber eines mit mehreren 100 Betten. Hier finden in unregelmäßigen Abständen Razzien statt. „Wir schauen auch, ob alle Frauen freiwillig dort sind“, verdeutlicht Lenhart. Jedes Jahr holten sie einige der Frauen da raus. Oh, manchmal, wenn Lenhart erzählt, liegt so ein Hauch Fernsehkrimi in der Luft. Auf der Mattscheibe ist ja der ungelöste Fall, der den Kommissar noch Jahre später beschäftigt, ein beliebtes Motiv. Lenhart kann auch solche Geschichten erzählen. „Eine Frau wurde 2003 in einem Beerdigungsinstitut, in dem sie arbeitete, niedergestochen“, erzählt er. Die Frau überlebte schwer verletzt. Der Täter wurde rasch gefasst. Doch das war ein Auftragskiller. Wer auch immer den Killer beauftragt hatte, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden. Und: „Der Auftragskiller hat nur sieben Jahre bekommen, weil man ihm die Tötungsabsicht nicht nachweisen konnte“, sagt Lenhart über den ganzen unbefriedigenden Fall.
Solche Geschichten kriegen die Ermittler nie ganz aus dem Kopf. Sie beschäftigen sie immer mal wieder. So ähnlich war es mit dem Hellweg-Baumarkt, der 2006 in Flammen aufging. „Das war Brandstiftung“, sagt der Kommissar. Allein, der Täter blieb unentdeckt. „Bei den meisten Bränden ist die Ursache technisches Versagen“, weiß der Kriminalbeamte. Es gibt natürlich auch die Pyromanen, die eine erotische Freude an ihren Feuern haben. Am Bunker in Sterkrade habe einer 30 Mal Feuer gelegt.
Die große „Deliktspalette“ empfinden die Mitarbeiter als sehr angenehm. Sie haben eben nicht diese Massenkriminalität, die am Schreibtisch abgearbeitet wird, wie etwa Hunderte von geklauten Autospiegeln. „Wir fahren raus“, sagt Lenhart. „Wenn wir etwa einen Hinweis kriegen, da wird ein Kind misshandelt, fahren wir da sofort hin.“
Schnelles Handeln ist auch oft bei Vermisstenfällen von Nöten, dann, wenn eine Suizidgefährdung vorliegt. Lenhart spricht von Handyortung und davon, dass sie in den letzten Monaten den einen oder anderen davon abhalten konnten, sich umzubringen. 15 bis 20 Menschen bringen sich pro Jahr in Oberhausen um. „Im Moment suchen wir nach jemandem, dessen Auto am Rhein gefunden wurde“, sagt Lenhart. Ist der Mann in den Rhein gesprungen, ist er es nicht? Das ist die Frage. Und immer, wenn in Holland ein Toter im Fluss entdeckt wird, melden sich die niederländischen Polizeibeamten bei den deutschen Kollegen.
Mit wirklichen Tötungsdelikten haben es die Oberhausener Kripo-Leute im Schnitt zwei Mal pro Jahr zu tun. Sehr viel häufiger sind die Todesermittlungen. „Wenn man nicht weiß, woran jemand gestorben ist, ermittelt die Polizei“, erklärt Herbert Lenhart. Das ist bei rund 300 Todesfällen von 2700 der Fall. Von diesen 300 Menschen werden wiederum etwa 20 obduziert.
Ein ganz heikles Thema sind Sexualdelikte. Bei sexuellem Missbrauch von Kindern natürlich eh, aber auch bei Frauen. „Es gibt eine Menge an Vortäuschungen“, sagt Lenhart. Manchmal erklärten junge Frauen, sie seien überfallen worden, weil sie ihr ganzes Geld ausgegeben hätten. Lenhart: „Das wollen sie dann ihrem Freund oder Mann nicht gestehen.“ Da zu entscheiden, ob die Frau die Wahrheit sagt oder etwas vortäuscht, sei eine Gratwanderung. „Wenn sie sich irren, einem Opfer nicht glauben, traumatisieren sie es zusätzlich“, so der Kommissar.
Mit beträchtlichem Aufwand versuchten sie den Opfern von häuslicher Gewalt zu helfen. Wenn die Frauen dann irgendwann die Nase von ihren prügelnden Ehemännern voll haben und sich trennen, würden sie von ihren Ex verfolgt. Nachstellung ist dann ein weiteres Arbeitsfeld des KK 11. Eines, bei dem man „einen langen Atem haben muss“, wie Lenhart sagt.