Oberhausen. .

Im Rahmen von Ruhr.2010 ist das Büdchen von Almuth Boyen an der Oberhausener Ebert­straße einer von 30 Design-Kiosken. Dass man jetzt auch Kunst bei ihr kaufen kann, findet die 64-Jährige überhaupt nicht ungewöhnlich. Warum, erklärt sie im Interview.

Wo, wenn nicht hier? Wo sollte die Kulturhauptstadt Ruhr 2010 einen ihrer 30 Designkioske platzieren, wenn nicht im Büdchen von Almuth Boyen an der Ebert­straße. Das Büdchen ist eher eine Bude, mit einem so großen Sortiment, dass einem schwindlig wird beim Umschauen. Neben Bömskes, Rauchwaren und Spirituosen stapeln sich Präsentkörbe, Geschenkartikel, Äpfel, Bananen, belegte Stullen – und seit kurzem auch die rot-weißen quadratischen Pappschachteln, auf deren Inhalt nur eine Nummer verweist.

Eine 9 steht da zum Beispiel geschrieben und Almuth Boyen schaut auf ihre schlaue Liste, „die hat ein Kunde für mich gemacht“, und kann sagen: Serviettenringe aus Nussholz, 14,90 €. Dass man jetzt auch Kunstprodukte bei ihr kaufen kann, findet die 64-Jährige überhaupt nicht ungewöhnlich. Warum, erklärt sie im Gespräch mit Redakteurin Rusen Tayfur.


Frau Boyen, was haben Sie bisher von der Kulturhauptstadt mitbekommen?

Erstmal hab ich mir die Eröffnung im Fernsehen angesehen. Das fand ich toll, dass unser Bundespräsident dahin gekommen ist, obwohl es so stark geschneit hat. Und der Grönemeyer hatte auch einen starken Auftritt. Obwohl ich das Lied zu anstrengend finde.

Sie sind ja auch ohne Hauptstadt der Kultur verbunden.

Ja genau. Weil ich doch seit 30 Jahren schon mein Geschäft gegenüber vom Theater habe. Mein Mann und ich leben mit dem Theater, wir gehören fast dazu.Wir versorgen die ja, mit Naturalien oder auch mit guten Wünschen. Vor der Premiere sind die Schauspieler immer so aufgeregt. Da müssen wir die erstmal wieder geradebügeln.


Sind Schauspieler als Kunden anders als die anderen?

Sicher sind sie anders. Theatermenschen spielen immer eine Rolle, auch im privaten Leben. Und die Rollen, die sie auf der Bühne spielen, so sind die meistens auch in echt.

Kaufen sie denn auch andere Sachen?

Ja, sie ernähren sich gesundheitsbewusster. Manchmal sind sie auch Vegetarier. Auch wenn sie rauchen und auch gerne mal einen trinken.

Bei Ihnen gibt es ja jetzt auch Kunst. Wie viele Design-Objekte haben Sie denn schon verkauft?

Über dreißig Stück. Wir hätten aber auch drei Mal so viel verkaufen können. Montagmorgen haben wir aufgemacht und Mittwochmittag war schon alles weg. Das meiste wurde nachgeliefert, aber das sind ja teilweise auch limitierte Sachen, die kommen nie wieder. Das hätte ich niemals gedacht, dass das so gut ankommt.

Sind Trinkhallen eigentlich immer noch ein wichtiger Treffpunkt?

Ja, sicher. Gewachsen ist die Bude durch die großen Werke und die Wechselschicht. Wenn der Mann von der Arbeit kam, hatte nichts anderes mehr geöffnet, und wenn einer einmal kein Geld hatte, dann konnte er auch anschreiben lassen. Heute haben sich die Öffnungszeiten der Supermärkte leider so verschoben, dass sich eine Bude nur noch an ganz bestimmten Ecken rentiert.

Und wie konnten Sie 30 Jahre überleben?

Indem wir immer das verkauft haben, wonach die Menschen gefragt haben. Als ich das Geschäft als junge Frau übernommen habe, hab ich hier eine Geschenke-Boutique eingerichtet. Ich bin gelernte Dekorateurin. Da gab es alles, diese Clowns, die damals Mode waren, Blumenvasen und Kaffeeservices. Dann kam die Zeit der Kellerbars und alle Leute wollten Spirituosen in ausgefallenen Flaschen. Diese Miniaturen wurden gesammelt wie Briefmarken. Als dann die Geschäfte an der Mülheimer Straße schlossen, haben die Kunden bei uns nach Senf gefragt oder nach einer Dose Erbsen. Dadurch bin ich praktisch zum Tante-Emma-Laden geworden. Und als die Theater-Kantine zugemacht hat, fragten die Schauspieler nach belegten Brötchen und Obst.

Verdienen Sie auch etwas an den Designobjekten?

Wir sind prozentual beteiligt an den Verkäufen und kriegen eine Miete dafür, dass wir das hier hinstellen. Sonst wär das auch unfair. Da muss man sich ja mit befassen und das sind auch richtige Verkaufsgespräche, die wir führen. So is dat mit der Kunst.