Stephanie Weltmann .
Erstmals auch in Deutschland: Den Gratis-Comic-Tag gibt es seit 2002 in den USA, nun haben sich hierzulande 17 Verlage zusammengetan und eine deutsche Version an den Start gebracht. In 100 Geschäften können 30 verschiedene Comics kostenlos mitgenommen werden.
Auch Jörg Hedtkamp vom Comic Zentrum unterstützt die Aktion. fragte ihn, warum und was grafische Literatur so unersetzbar macht.
Herr Hedtkamp, heute ist der Gratis-Comic-Tag. Muss denn alles einen Jahrestag haben?
Es ist kein Jahrestag, sondern ein Aktionstag, der in den USA sehr erfolgreich ist. Ob er auch hier funktioniert, wird sich zeigen: Ich war mir selbst nicht sicher und habe nur je 20 Exemplare der Comics bestellt, die ich nicht nur verschenken, sondern Neukunden auch beraten werde.
Wer kauft heute Comics?
Die Zielgruppe ist mit dem Genre gealtert: Früher waren Comics Kindersache, heute sind sie erwachsener. Sie sind gesellschaftlich akzeptiert, nicht zuletzt, weil sie sich inhaltlich verändert haben. Der Comic-Code, eine Art Selbstkontrolle der amerikanischen Verleger, ist erweitert worden: Nacktheit war lange verpönt, sterben durfte niemand und Verbrecher sollten immer unsympathisch sein. Heute sind die Superhelden nicht mehr so glatt, ihre Charaktere viel brüchiger.
Ein junger Mann mit Elvis-Tolle und Collegejacke hat den Ladentisch mit stapelweise bunten Heftchen bereits mehrmals umrundet. Er zupft sich an der Lippe, die Freundin steht mit verschränkten Armen dahinter und tippt mit dem Fuß auf der Stelle. Dann erhellt sich ihr Gesicht: Mit zwei Superman-Bänden steu-ert Elvis die Kasse an.
Gibt es keine Kindercomics mehr?
Doch, die gibt es auch noch, sie werden aber immer weniger. Mangas haben diese Lücke gefüllt: Vor allem Mädchen sind durch diese zuckersüßen Geschichten ans Comiclesen gebracht worden.
Sollten Kinder nicht besser Bücher lesen?
Nicht jedes Kind hat dazu Lust. Ich hatte erst gestern eine Kundin, die im sozialen Bereich arbeitet. Sie erzählte von einem Jungen, der ungerne liest, aber Spaß am Zeichnet hat. Sie hat ihm ein Comic gekauft.
Was kaufen die Oberhausener überhaupt bei Ihnen?
Viele Klassiker: Tim und Struppi, Asterix und Obelix, Lucky Luke - das geht immer. Wir führen aber auch einige Nischenprodukte und versuchen, deutsche Autoren zu fördern. Das ist ein großes Problem am Markt: Die Lizenzen kommen aus dem Ausland – obwohl der Urpionier des Genres aus Deutschland kommt: Wilhelm Busch.
Sind Ihr Kunden Leser oder Sammler?
Leser. Wir haben deshalb nur einige ausgesuchte Sammelstücke im Angebot.
Hedtkamp greift ins Regal hinter der Kasse und zieht mit spitzen Fingern ein gebundenes, schwarzes Buch heraus: „Family Affairs“ steht darauf – ein alter Comic von Will Eisner, eine auf 500 limitierte Auflage, mit Unterschrift. 60 Euro kostet der Band. Fast liebevoll streicht Hedtkamp über den Einband, bevor er ihn vorsichtig zurück ins Regal stellt.
Was macht einen guten Comic aus?
Das ist ein Zusammenspiel aus Geschichte und Grafik. Inhaltlich sollte es einen Spannungsbogen geben, genauso wie bei einem Buch. Über das Visuelle lässt sich die Atmosphäre transportieren. Ein schwarz-weiß Comic wie „Vendetta“ lebt durch seine düsteren und beklemmenden Zeichnungen.
Vendetta wurde 2005 verfilmt. Steigern solche Adaptionen den Verkauf?
Selten. Bei „Watchman“ hat es funktioniert. Bei Spiderman oder jetzt aktuell Ironman merkt man das nicht.
In Ihrem Geschäft gibt es zu jedem Comic einen Fanartikel. Ist das nicht schade, dass die Geschichte nicht mehr für sich selbst steht?
Einige Zeichner entziehen sich dieser Maschinerie: Bill Watterson, der Erfinder von „Calvin und Hobbes“ wehrt sich seit Jahren, seine Lizenzen herauszugeben. Dabei würde er ein Vermögen verdienen. Das ist jemand, der zu dem steht, woran der glaubt. Davon brauchen wir mehr.