Oberhausen. .
Dr. Klaus Hagemann, Arzt für Neurologie und Psychiatrie, kritisiert die Noten, die der Medizinische Dienst Alten- und Pflegeheimen gibt. Der Dienst sei abhängig vom Verbund der Krankenkassen. Der Arzt ist überzeugt: „Das Ergebnis der Untersuchung stand schon vor Beginn der Kontrollen fest.“
Dr. Klaus Hagemann ist überzeugt: „Man wird der Problematik eher gerecht, wenn man sich vorstellt, selbst auf Pflege angewiesen zu sein.“ Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie sagt: „Pflegebedüftigkeit geht alle an.“ Ihn ärgern die Noten, die der Medizinische Dienst Alten- und Pflegeheimen gibt.
„Der Medizinische Dienst ist eine Einrichtung, die vom Verbund der Krankenkassen lebt“, sagt der Arzt. Er hält ihn deshalb nicht für wirklich unabhängig in seinem Urteil. Hagemann ist überzeugt: „Das Ergebnis der Untersuchung stand offenbar schon vor Beginn der Kontrollen fest: Die privaten Betreiber, die lästige Konkurrenz der kirchlichen und kommunalen Einrichtungen, fallen durch.“ Für ihn ist es kein Zufall, dass die Privaten so abqualifiziert werden. „Sie können sich nicht so gut wehren“, vermutet Hagemann. Hinter den anderen Einrichtungen stünde die Stadtverwaltung, stünde die Kirche. Die Großen hätten außerdem ihre Rechtsabteilungen. Und: „Je höher die Bettenzahl ist, desto größer ist die Bedeutung der Einrichtung vor Ort, desto mehr wird sie gebraucht“, argumentiert er, warum hier seiner Meinung nach schlechte Noten eher nicht vorkommen.
Dokumentation und Rangfolge
Hagemann empfindet es als „skandalös“, dass die Noten dann auch noch öffentlich mitgeteilt werden, „so lange das Verfahren so in der Kritik steht“. „Wenn dann noch die Fragwürdigkeit der eingesetzten Untersuchungsmethode, Bürokratie überprüft Bürokratie, betont wird, hat die Verteilung von schlechten Noten etwas Ruf- und Geschäftsschädigendes und sollte gegebenenfalls von den abqualifizierten Heimen vor Gericht angefochten werden“, rät er den Häusern. Das große Augenmerk, das auf die Dokumentation gelegt wird, hält er für fragwürdig. Der Arzt: „Eine schlechte Bürokratie könnte man als etwas Positives sehen, weil dann mehr Zeit in die Pflege investiert wird.“ In einer kirchlichen Einrichtung habe er erlebt, dass ein alter Mann, der unter sich gelassen hatte und sich hilflos im Bett wälzte, von der darüber informierten Schwester über eine halbe Stunde in seiner bedauernswerten Lage belassen wurde. Hagemann: „Die Schwester begründete ihre unterlassene Hilfeleistung damit, dass zuerst die Pflege-Dokumentation ausgefüllt werden müsste.“ Deshalb findet er das Kriterium, was nicht dokumentiert wurde, ist nicht gemacht worden unsinnig. Genau das führe zu solchen Situationen. Ohne vernünftige Dokumentation ginge nichts, aber man müsse die richtige Rangfolge sehen.
„Es gibt Bereiche, die lassen sich nicht messen“, sagt der Arzt weiter zu den Noten. Dazu gehöre die Herzlichkeit, mit der die Mitarbeiter die alten Leute betreuten. Das persönliche Engagement bleibe subjektiv. Was man sich ansehen müsse, sei der Pflegezustand. Wie sauber, wie gut oder schlecht die Menschen verbunden seien, ob sie ihre Medikamente erhielten. Ob sie ihre physiotherapeutischen Behandlungen erhielten. Ja, auch, obwohl das eigentlich selbstverständlich sein sollte, ob sie ausreichend Nahrung und zu Trinken bekämen. Einfach im Bett liegen gelassen oder mobilisiert würden. „Bei der menschlichen Komponente gilt grundsätzlich, ist das Personal überfordert, schlecht gelaunt, leiden die alten Leute.“ Deshalb müssten Arbeitszeiten, Qualifizierung und Vergütung stimmen.
Übertriebene Forderungen
Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Dr. Klaus Hagemann, nennt ein Beispiel für seiner Meinung nach übertriebene Forderungen nach Dokumentation. „Jede ärztliche Verordnung muss vom Arzt abgezeichnet werden“, sagt er. Das heißt, das Pflegepersonal muss die Verordnung schriftlich in der Patientenakte festhalten. „Dann muss ich den Eintrag unterschreiben“, so Hagemann. Das Warten auf den Eintrag koste Zeit, die man oft gar nicht hätte. Vor einer Betriebsprüfung landeten so oft diverse Dokumentationsbögen in seiner Praxis, „damit ich alles abzeichne“.
Hagemann verweist darauf, dass sich die Qualitätsansprüche an die Häuser erhöhten, aber weniger Fachpersonal ausgebildet würde. Ein neues Problem, das Hagemann sieht, ist die Forderung nach mehr Einbettzimmern: „Es wird dazu kommen, dass aus den Einbett- wieder Mehrbettzimmer werden“, sagt er. Die steigende Zahl alter Menschen würde sonst gar nicht mehr unterzubringen sein.