Die Wege zwischen den Gräbern sind bereits aufgeräumt. „Dort hinten sind sie durchgekommen“, sagt Karlheinz Frischmann und zeigt auf den Maschendrahtzaun, hinter dem der Sterkrader Wald die A2 verdeckt. „Und hier haben sie mit Gewalt alles herausgerissen.“

Eine kaputte Gussschale liegt zu den Füßen des OGM-Mitarbeiters, daneben ein Marmorstumpf: Ein Dreckrand zeichnet den Fuß einer Vase ab, die einmal dort gestanden hat.

In der Nacht von Montag auf Dienstag hatten Unbekannte über 100 Gräber auf dem Nordfriedhof beschädigt. Abgesehen haben es die Diebe erneut auf Vasen und Statuen aus Bronze und anderen wertvollen Legierungen. Minderwertiges haben sie umgeworfen oder zerschlagen. Tatverdächtige hat die Polizei noch nicht.

Seit Oktober 2009 sind laut Oberhausener Gebäudemanagement (OGM) über 100 Vasen von städtischen Friedhöfen entwendet worden. Besonders betroffen waren der Nord- und Westfriedhof. „Beide liegen verkehrstechnisch günstig“, stellt Polizeisprecher Uwe Weighardt fest und vermutet: „Die Täter fahren von der Autobahn ab und an den Friedhof heran, nehmen alles mit, das wertvoll ist, und sind dann auch schnell wieder weg.“ Er geht von organisierter Kriminalität aus.

Das vermutet auch OGM-Sprecher Alexander Höfer: „Diese Vasen werden in großen Mengen gestohlen, eingescholzen und verkauft.“ Derzeit liegt der Bronzepreis bei über sieben Euro je Kilo, das macht bei 100 Vasen von je bis zu drei Kilo eine Summe von 2100 Euro. Weighardt: „Damit machen die Diebe ein gutes Geschäft.“

Den Gesamtschaden schätzt die OGM auf über 10 000 Euro. Dafür kommt aber nicht die Stadt auf: „Die Angehörigen hinterlassen auf der angemieteten Grabstelle Blumen und Vasen und müssen bei Zerstörung auch für diese Dinge haften“, stellt Höfer klar.

„Für die Hinterbliebenden ist der Schaden nicht nur materieller Art“, sagt Trauerbegleiterin Erika Schöning- Höpken, die in den vergangenen Monaten verstärkt auf die seelischen Folgen von Grabdiebstählen aufmerksam wurde: „Angehörige wollen ihre Toten mit einer würdigen Erinnerungsstätte ehren.“ Wenn jemand diese Ehre beschmutzt, wühle das den Schmerz neu auf: „Es ist nicht nur eine Vase, die man ersetzen kann, sondern ein ideeller und persönlicher Gruß.“

Bisher wurde im ganzen Stadtgebiet nur eine Sammelanzeige der OGM gegen Unbekannt gestellt, teilte die Polizei mit. Jedoch seien alle Betroffenen dazu angehalten, einen Strafantrag zu stellen. Ein entsprechender Hinweis hängt am Nordfriedhof aus.

Ob man präventiv gegen die Diebstähle vorgehen kann, bezweifelt sowohl die Polizei als auch die OGM: „Wer etwas zerstören oder stehlen will, lässt sich davon durch nichts abschrecken“, meint Höfer. Dagegen sei man machtlos. Abgeschlossen werden die Friedhofe bereits seit einigen Jahren nicht mehr, um Kosten einzusparen. „Außerdem sind die Zäune so niedrig, da kann sowieso jeder hinüberspringen.“ Aus einem Friedhof wolle er kein Hochsicherheitsgelände machen: „Es ist ein Ort der Trauer, der offen zugänglich sein sollte.“

Auch andere Städte sind von den Diebstählen betroffen: Am Waldfriedhof in Dinslaken wurden am Samstag knapp 100 Gräber verwüstet.