Oberhausen.

Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Mitunter mit dem Tod, wenn es nämlich um die eigene Gesundheit und den allzu sorglosen Umgang mit ihr geht. Nichtsdestotrotz scheuen viele Menschen den Arztbesuch und lehnen gute Ratschläge zur Vorsorge ab.

Nicht anders verhielt sich Catherine Dutertre – glücklicherweise nur bis zum 2. März dieses Jahres. Als sie an jenem Dienstag in der WAZ auf die Telefonaktion zum Thema Darmkrebs aufmerksam wurde, „habe ich den Mut gefasst und angerufen“, sagt die 68-Jährige. Das Gespräch hat ihr vermutlich das Leben gerettet, auf jeden Fall aber eine Chemotherapie und andere Unannehmlichkeiten erspart.

Der Reihe nach: Noch im Gespräch mit Oberärztin Dr. Annette Agel, die gemeinsam mit Chefarzt Dr. Klaus Becker und Oberärztin Dr. Jutta Schneider Anfang März in der WAZ-Redaktion an den Telefonen saß, vereinbarte Catherine Dutertre einen Beratungstermin im St.-Clemens-Hospitale für den 11. März. „Mir ist dann dort sehr genau erklärt worden, wie eine Darmspiegelung vonstatten geht.“

Fünf Tage später war es soweit: Bei der Koloskopie wurden der Patientin einige gutartige Polypen aus dem Dickdarm entfernt. Leider nicht nur das. „Dr. Becker teilte mir nach der Untersuchung mit, dass Gewebeproben entnommen werden mussten, weil eine Stelle auffällig gewesen sei.“ Für die Französin, die seit 1974 in Oberhausen lebt und 30 Jahre lang am Elsa-von-Brändström-Gymnasium Französisch unterrichtete und eine internationale Klasse leitete, war das ein Alarmsignal. Erst acht Jahre zuvor war sie an Brustkrebs erkrankt, durchlitt Operation, Chemotherapie und aufwendige Reha-Maßnahmen. Zudem ist die Bretonin erblich belastet: „Meine Mutter ist im Alter von 62 Jahren an Darmkrebs gestorben.“

„Frau Dutertre hatte Glück im Unglück“, sagt Dr. Klaus Becker. Das Karzinom, das bei der OP am 23. März inklusive einem 50 Zentimeter langen Stück Darm entfernt wurde, hatte sich nicht fortgepflanzt. Die entfernten 17 Lymphknoten in der befallenen Darmregion waren allesamt metastasenfrei, so dass Catherine Dutertre bereits am 1. April nach Hause konnte. „Ich habe keine Schmerzen mehr“, sagt sie beim Gespräch für diesen Bericht am 7. April, „mich stört nur der Bauchschnitt, weil er mich bei der Wahl meiner Kleidung und beim Duschen stark einschränkt.“

Das ist natürlich nichts im Vergleich zu dem, was ihr dank der Darmspiegelung erspart geblieben ist. Schon bald dürfte einem Heimaturlaub in St. Malo („Dort gibt’s erfreulicherweise sogar die WAZ.“) nichts mehr im Wege stehen. „Ich rate aufgrund meiner Erfahrung wirklich jedem, so früh wie möglich zur Koloskopie zu gehen“, sagt Catherine Dutertre. Ihre Lektion hat sie gelernt.

Darmkrebs ist in Deutschland die zweithäufigste Krebstodesursache, mehr als 25 000 Menschen sterben Jahr für Jahr an den Folgen. Meist, weil es erst in einem späten Stadium der Erkrankung, für die das Risiko mit fortschreitendem Alter steigt, zu Symptomen wie Darmkrämpfen, Blut im Stuhl, Durchfall oder Verstopfung kommt. Wird der Darmkrebs indes früh entdeckt, können Patienten nahezu vollständig geheilt werden. Im Gegensatz zur Früherkennung bei Brust- oder Prostatakrebs, sprechen Mediziner daher beim Thema Darmkrebs auch von „echter Vorsorge“.

„99 Prozent der Tumore entwickeln sich aus gutartigen Polypen“, sagt Dr. Becker. Werden diese rechtzeitig entfernt, ist viel, wenn nicht alles gewonnen.

Dass Krankenkassen die Spiegelung des Darms erst für 55-Jährige und Ältere bezahlen, ist Becker zufolge ein simples Rechenexempel. „Erst dann sind die Kosten für die Vorsorge geringer als eine mögliche Krebsbehandlung.“ Patienten mit Beschwerden oder mit Verwandten ersten Grades, die an Krebs erkrankt sind oder waren, können sich früher untersuchen lassen. Oder selbst zahlen: 200 Euro.

Anders herum als erwartet sind im Übrigen Berichte über die Untersuchung selbst. Während sich die Angst vor dem Schlauch „im Po“ dank eines Beruhigungsmittels meist als unbegründet erweist, ist das Trinken des Abführmittels vielen ein Graus. Die Lösung, die den Darm spült und reinigt, schmeckt salzig. Damit die Flüssigkeit den Darm passiert und nicht, wie es das Verdauungsorgan vorsieht, vom Körper aufgenommen wird. „Wenn Sie eine Lösung erfinden, die das gleiche bewirkt und obendrein schmeckt, können Sie sich eine goldene Nase verdienen“, sagt Dr. Becker.