Es begann alles im Juni 2009. Zu diesem Zeitpunkt tauchten zum ersten Mal unangemeldet Mitarbeiter der „Medizinischen Dienste“ in Alten- und Pflegeheimen auf, um sie zu benoten. Von 22 Einrichtungen in Oberhausen erhielten mittlerweile 20 eine Bewertung.

Schulnoten von „Sehr gut“ bis „Mangelhaft“. Zwei privat geführte Häuser, die Seniorenresidenz Gesthuysen und das Haus am Buschkämpen, rasselten mit einem „Mangelhaft“ glatt durch die Prüfung. Überhaupt rangiert die Stadt mit einer Durchschnittsbewertung aller Pflegeheime von 3,2 als Schlusslicht in der rheinischen Region. Muss man sich bei einer mangelhaften Bewertung nun Sorgen um die Menschen machen, die in einem solchen Haus leben? „Nein“, sagt Hans-Werner Stratmann, AOK-Regionaldirektor.

Gemeinsam mit Fachserviceleiter Michael Flötgen versucht er, den Sinn und Zweck der Benotung der Häuser verständlicher zu machen. Ein „Mangelhaft“ als Gesamtnote müsse keineswegs so katastrophale Pflegezustände bedeuten, dass ein Haus geschlossen werden müsse.

Den Heimen wird in vier Bereichen auf den Zahn gefühlt. Das sind Pflege und medizinische Versorgung, der Umgang mit demenzkranken Bewohnern, soziale Betreuung und Alltagsgestaltung sowie Wohnen, Verpflegung, Hauswirtschaft und Hygiene. Allein der erste Part umfasst 35 Einzelaspekte. Stratmann greift eine Frage heraus, um zu zeigen, wie schnell eine schlechte Note vergeben wird: „Entspricht die Durchführung der behandlungspflegerischen Maßnahmen den ärztlichen Anordnungen?“ Stratmann: „Ein Arzt kann bei einem Senioren zweimal täglich einen Verbandswechsel angeordnet haben, wird der gemacht, aber nicht dokumentiert, gibt es die Note 5“.

Damit ist man gleich bei einem Kritikpunkt am Benotungssystem. So zeigte sich das Altenzentrum St. Clemens von seiner Note 3,3 sehr enttäuscht, die hauptsächlich auf Mängel in der Dokumentation zurückzuführen sei. Geschäftsführer Peter Tischmann: „Wer viel schreibt, erhält eine gute Note.“ Diese Kritik lässt Stratmann jedoch nicht gelten. Jede Leistung werde bezahlt und müsse auch dokumentiert werden. Stratmann beleuchtet noch einen anderen Aspekt, den Häuser immer wieder ins Feld führen. Das sind die Noten, die die Bewohner selbst dem Haus geben. Die sind immer sehr gut. Was Stratmann mit der Abhängigkeit der Senioren zum Haus erklärt. Gerade wegen dieser subjektiven Einschätzung sei eine zusätzliche objektive so wichtig.

Zu einer anderen Kritik an den Noten, der, dass alle vier Bereiche gleich bewertet werden, sagt Stratmann: „Im Moment wird geprüft, ob nicht sogar innerhalb der Unterfragen eine Gewichtung notwendig ist.“ Die Noten, wie sie jetzt vergeben würden, seien ein Einstieg in die Transparenz. „Ein Anfang.“ Und sie sind nicht für die Ewigkeit. Häusern mit einem „Mangelhaft“ oder schlechten Ergebnissen in Teilbereichen werden Auflagen gemacht. Heime können von sich aus um einen neuen Prüftermin bitten. Im Internet veröffentlicht werden nur die aktuellen Noten. Den Anspruch der Häuser, bei der nächsten Prüfung besser abzuschneiden, betrachtet Stratmann dann als einen Schritt hin zum Ziel: „Die Lebensqualität der Bewohner zu erhöhen.“


Kommentar

Wie erkenne ich das richtige Heim? Das ist für AOK-Regionaldirektor Hans-Werner Stratmann eine entscheidende Frage, die sich Angehörigen stellt. Die Noten für Häuser, den Pflege-Navigator im Internet, betrachtet Stratmann als einen Indikator.

Wobei: Die Noten, jedenfalls wie sie im Moment vergeben werden, scheinen eher für Verwirrung zu sorgen, denn als wirkliche Entscheidungshilfe zu dienen. So ist ja zunächst nicht sofort verständlich, warum ein Haus mit der Note „Mangelhaft“ nicht wirklich richtig schlecht sein muss. Gut ist allerdings, dass alle Häuser nun zusätzlich regelmäßig überprüft werden. Und dass sie hoffentlich im Wettbewerb um gute Noten, tatsächlich immer bessere Leistungen anbieten.