Toni erzählt von seinem Neuanfang jenseits der Kriminalität. Heute zählt für ihn die Familie, nicht die Rolex am Handgelenk.

„Ich habe alles im Leben durch, was man durchhaben kann“, sagt Toni (41). Der Oberhausener hat ein neues Leben begonnen. Sein früheres, das war eine „Scheinwelt, die aus Lug und Trug bestand“. „Die Leute aus dem Milieu sind armselige Gestalten, fernab der Welt, der Realität“, hat er für sich beschlossen.

Toni, der früher ausschließlich mit dicken Autos unterwegs war, schiebt heute am liebsten seine sieben Monate alte Tochter im Kinderwagen spazieren. Arbeit hat er im Unternehmen seines Bruders gefunden. Er besucht regelmäßig seine Mutter. Und treibt in der Freizeit viel Sport.

Toni, das war mal das, was man einen ganz schweren Jungen nennt. Einbrüche, illegales Glücksspiel, Zuhälterei, Körperverletzung, Banküberfälle - er hat wirklich alles durch. Hat sogar einen Konkurrenten niedergeschossen. Aber das ist Vergangenheit. Bis jetzt schaffte er es tatsächlich, dieses neue Leben, diese Existenz jenseits der Kriminalität.

Wenn Toni erzählt, dann hat man das Gefühl, da ist einer, der Autoritäten nicht anerkannte, der sich nicht in die Form eines geregelten Alltagslebens pressen ließ, der da vielleicht einfach nicht reinpasste. Allein von der Statur ist er schon eine auffällige Erscheinung. Sehr groß. Muskelbepackt. Markante Gesichtszüge. Pferdeschwanz. Tätowierungen.

Vielleicht ist Toni ein Anachronismus. Mag sein, in früheren Zeiten wäre er ein ruhelos tapferer Krieger geworden. Doch in dieser zivilisierten Welt muss der Hauptschüler häufig die Schule wechseln. Kriegt immer wieder Stress mit Lehrern. „Ich hab’ mir nichts mehr sagen lassen“, erklärt er. Mit 14 Jahren beginnt sein Raubrittertum, fängt das mit den Diebstählen und Einbrüchen an. Er wird erwischt, kommt ins Gefängnis, macht dort eine Lehre zum Rohrschweißer.

Wieder auf freiem Fuß, will er bürgerlich werden. Kriegt einen Job. Heiratet. Aus der Ehe hat er einen heute 21 Jahre alten Sohn. Aber dann merkt er, „abends vorm Fernseher zu sitzen, ist nichts für mich“. Er bricht erneut ein, wird erwischt. Kriegt Bewährung. Und jetzt geht es richtig los. Toni knüpft Kontakte zum Milieu, lässt Frauen als Prostituierte für sich arbeiten. „Ich hatte Frauen in Oberhausen, Bochum, Essen, Oldenburg“, sagt er, Und dass eine „gute Frau“ bis zu 15 000 Mark pro Woche brachte. „Klar habe ich auch Frauen geschlagen“, gibt er zu, „aber nicht weil sie zu wenig Geld brachten, sondern in Stresssituationen, wenn ich meine Ruhe haben wollte. Jeder Frau erzählte er: „Ich liebe nur Dich“, um sie bei der Stange zu halten. „Primitiv war das“, sagt er heute.

Mit 21, 22 passiert ihm etwas Ungewöhnliches. „Ich habe mich verliebt“, sagt er noch heute mit weicher Stimme. In eine „solide“ Frau. Mit der hat er eine heute 19 Jahre alte Tochter. Kurze Zeit wird Toni seriös, aber nicht lange. Kriegt dann wegen räuberischer Erpressung, Körperverletzung, Nötigung, illegalen Glücksspiels sieben Jahre, verbüßt davon fünf. Er hat sich diesen Ruf erworben, nicht lange zu fackeln, gleich zu zuschlagen. „Es war für mich ein Kick, den Großen zu zeigen, dass sie gar nicht so groß sind.“ Als es zu Streitigkeiten im Milieu kommt, weiß Toni, was ihm das Gesetz der Straße vorschreibt: „Entweder er oder ich“, sagt er über seinen Konkurrenten. Er schnappt sich eine Pistole. Geht in die Kneipe, in der sein Gegenspieler sich gerade aufhält, schießt den Mann nieder.

Zielt aber bewusst nur auf die Beine. Zehn Zeugen, alle aus dem Milieu, kriegen das mit. Keiner sagt hinterher ein Wort. Alle wollen gleichzeitig auf der etwa einen Quadratmeter großen Toilette gewesen sein. Selbst das Opfer schweigt. Der Ehrenkodex der Gangster schreibt das vor. Toni stellt sich selbst, nachdem er ordentlich Alkohol getrunken und Kokain konsumiert hat. Ja, überhaupt der Koks, der hat ihn sein Leben lang begleitet. Um seinen Konsum zu finanzieren hat er auch zwei Banken überfallen.

Bis vor eineinhalb Jahren war Toni in der JVA Bochum. Ließ sich auf eine Therapie ein. Lernte, Konflikte anders als mit Gewalt zu lösen. Lernte, sein bisheriges Leben als Abklatsch der Wirklichkeit zu sehen. Er sagt: „Ich will jetzt ein Leben, in dem der Mensch zählt, die inneren Werte, nicht die Rolex-Uhr.“

Toni sagt übrigens, dass ihm der Glaube an Gott geholfen habe, seine Haftzeiten zu überstehen. So sind die meisten seiner Tätowierungen auch religiöse. Ihm ist durchaus klar, dass ihm Sicherheitsverwahrung droht, wenn er sich noch einmal etwas zuschulden kommen lässt. Ein Grund mehr für ihn, jetzt ein normales Leben zu führen. Und wer denkt, dass Kriminelle und Polizei immer auf Kriegsfuß stehen, der irrt. Über den heutigen Pressesprecher der Polizei, Ralf Weyer, sagt Toni: „Der hat mir viel geholfen. Der hat immer noch das Gute in mir gesehen.“ Und das, obwohl der Polizeibeamte Ralf Weyer, eigentlich fast immer auch derjenige war, der Toni nach seinen Streifzügen hinter Gitter brachte.