Gewandmeisterin. Diese Berufsbezeichnung klingt nach längst vergangenen Zeiten, nach Märchen, nach kostbaren Roben. Anke Walterscheidt-Sommerfeld ist Gewandmeisterin beim Musical Wicked. Und hat hier in der Tat mit märchenhaften Gewändern zu tun.
Gewandmeisterin. Diese Berufsbezeichnung klingt nach längst vergangenen Zeiten, nach Märchen, nach kostbaren Roben. Und in der Tat führt Anke Walterscheidt-Sommerfeld (45), ihres Zeichens tatsächlich eine Gewandmeisterin, gerade durch einen „Märchenwald“ voll zauberhafter Gewänder, von denen eines kostbarer, traumhafter, aufwändiger und ausgefallener zu sein scheint als das andere. „Hier steht ein schöner Fuhrpark“, sagt Michael Rohde, PR-Manager-Ruhr von Stage Entertainment, über den Wert der Sachen. „Die Kostüme“, erklärt er weiter, „waren nach der Technik der höchste Kostenfaktor für Wicked.“
Dabei wurden die wahnsinnig aufwändigen Kleidungs-Stücke des Musicals mit all den Pailletten, Stickereien oder Schärpen aus hunderten von kleinen, genähten Blümchen in London gefertigt. Gingen dann nach Stuttgart und sind jetzt in Oberhausen angekommen. Hier wurden sie überarbeitet, angepasst, weil ja die Darsteller wechselten. Und viele einfachere Kostüme mussten auch komplett neu genäht werden. Da kommt dann die Gewandmeisterin ins Spiel.
„Ich mache in erster Linie Schnitte, nähe aber auch mit“, sagt Anke Walterscheidt-Sommerfeld. Sie schneidert am liebsten die Garderobe der Herren. Rüschen und Schleifchen sind nicht so ihr Ding. „Bei den aufwändigen Sachen probiert man zunächst mit Nessel aus, ob das alles funktioniert“, schlägt die Gewandmeisterin ein Fotoalbum auf und zeigt solch farbig unspektakuläre Nesselanfertigungen. Dann blättert sie weiter zu einer kompletten Anzugkollektion. Alles für eine Schulszene von Wicked. „Wenn ich das fertige Teil schön sitzend an seinem Träger auf der Bühne sehe, dann ist das toll, das ist ein Highlight meines Berufes“, schwärmt die 45-Jährige. Dann säße sie da und dächte: „Das habe ich gemacht.“
Sie erzählt, wie die Arbeit überhaupt abläuft. „Es gibt eine Kostümleitung, die entscheidet, was gemacht wird.“ Sie hätten Reparatur- und Fertigständer, auf denen die Sachen aufgehängt würden. Viele Kleidungsstücke müssten für die Darsteller auch geändert werden. „Wenn sie bei den Proben merken, dass eine Jacke zu eng ist, sie damit gar nicht tanzen können, oder eine Hose ist zu lang, ändern wir das“, sagt die Gewandmeisterin.
Der ungeheure Berg an Kostümen von Wicked stellte das gesamte Theater vor eine Bewährungsprobe. Die Kleidungsstücke passten nämlich nicht in die Räumlichkeiten der Abteilung „Kostüm“. Deshalb landeten sie zunächst im Foyer. Hinter schwarzen, provisorischen Wänden wurden die Kleiderständer aufgestellt. 80 Quadratmeter-Anbau sollten der Raumnot ein Ende bereiten. Aber dann machte der harte Winter den Bauarbeitern zunächst einen Strich durch die Rechnung. Rechtzeitig vor der Premiere konnte die Abteilung dann aber doch noch umziehen.
Was passiert mit den Sachen, die geändert oder neu genäht wurden? Sie werden alle nach Darstellern und Szene geordnet. Kommen in sogenannte Black-Boxen. „Aber das machen die Dresser“, sagt die Gewandmeisterin. Das ist schon wieder ein anderer Arbeitsbereich.
Sie selbst hatte nach ihren Ausbildungen versucht, ans Theater zu kommen, „weil mich die Kostüme interessierten“. Sie habe hat keine Sachen für die Stange nähen wollen. Für sich selbst habe sie noch nie genäht. „Es ist ja schwierig, an sich selbst abzustecken“, erklärt Walterscheid-Sommerfeld, warum sie immer nur für andere Kleidungsstücke anfertigt.