Im Alltag laufen wir fast immer blind durch die Stadt. Den Eindruck musste man beim Rundgang durch die „Park-Stadt Oberhausen“ gewinnen. Oder sind Ihnen die Verzierungen am Rathaus-Gebäude schon einmal aufgefallen?

Haben Sie schon gemerkt, dass das Bert-Brecht-Haus eindeutig an das Chile-Haus in Hamburg erinnert?

Doch der Reihe nach. Es ist 15 Uhr am Samstagnachmittag, der Himmel ist zwar ein wenig grau, aber es ist mild und regnet nicht. Etwa 15 Interessierte haben sich am Rathaus versammelt, um die Führung durch die Park-Stadt Oberhausen mitzumachen.

Interessen? „Ich möchte die Stadt, in der ich mich täglich bewege, etwas besser kennen lernen“, spricht Martin Hesselmann das aus, was für die ganze Gruppe gilt. Bei Julia Strötges geht das Interesse noch ein Stück weiter. Die Zwölfklässlerin hält Zettel und Stift schon bereit – sie schreibt gerade an ihrer Facharbeit in Erdkunde. Thema: „Imageverbesserung der Stadt“ – mit Schwerpunkt auf den Fassaden der Häuser. Da kam die Führung gerade recht, sagt Julia: „Da bekomme ich die Infos praktisch auf dem Silbertablett serviert.“

Ihre Großeltern hat die Schülerin gleich mitgebracht. „Die interessieren sich sehr für die Stadtgeschichte.“ In der Tat: Er habe schon mehrere Stadtführungen mitgemacht, erzählt Horst Rehermann.

Gruppenleiter Ingo Dämgen von der Ludwig Galerie hat die Gruppe mittlerweile in den Grillopark neben dem Rathaus geleitet – von dort ist das Rathaus besser zu überblicken.

Die Backsteine seien ganz bewusst in verschiedenen Rottönen gewählt worden, damit die Abwechslung größer sei, beginnt er seine Erzählung. Das mag der Alltagsblick vielleicht noch bemerkt haben, aber dann wird es für die Teilnehmer der Führung richtig interessant. Auf der Fassade des Rathauses sind schnörkelige Verzierungen und griechische Göttergestalten angebracht, die sich von dem schlichten Bau des Gebäudes abheben. „Der Stil des Rathauses ist eine besondere Mischung aus Bauhaus-Stil und Expressionismus“, erklärt Dämgen.

Die Gruppe ist überrascht. „Das sehe ich heute zum ersten Mal so“, sagt Ursula Rehermann. „Imposant“, sagt ihr Mann. Enkelin Julia Strötges schreibt fleißig mit. Für ihre Facharbeit.

Weiter geht es zur naheliegenden „Direktorenvilla Zeche Concordia“, die vielen eher als „Meuten-Villa“ bekannt sein dürfte. „Viele wissen nicht, dass Meuten eine ziemlich braune Vergangenheit hat“, sagt Gruppenleiter Ingo Dämgen. Das wusste noch keiner in der Gruppe. Martin Hesselmann ist aber nicht allzu überrascht: „Das ist bei vielen Gebäuden in der Stadt so.“

Heute zeigt ein Schild an der Tür an, dass die Villa Sitz der Kurzfilmtage ist. In einer Ecke des Schildes klebt der Aufkleber: „Gegen Nazis“.

Während die Gruppe Richtung Hauptbahnhof spaziert, fällt der Blick zurück aufs Rathaus. Alle schauen interessiert dorthin – mit dem neu erworbenen Wissen sieht man irgendwie genauer hin, macht sich die Wirkung des großen, breiten Gebäudes an der Schwartzstraße bewusst. Auf diese Weise verläuft auch die Führung weiter: An bekannten Gebäuden wird Halt gemacht und hinterher hat man irgendwie ein besseres Bild von Oberhausen. Vielleicht macht der ein oder andere Teilnehmer demnächst auch im Alltag mal Halt und erinnert sich daran.