Oberhausen. .

Über zwei Monate nach dem Tod ihrer Mutter in der Seniorenresidenz am Olga-Park erhebt Tochter Ruth Black (54) massive Vorwürfe gegen das Heim, die in der Aussage gipfeln, die Seniorin sei dort möglicherweise sogar geschlagen worden.

Die Mängelliste der 54-Jährigen ist lang, reicht bis hin zu blauen Flecken: „Ich vermute, dass massiv zugelangt wurde, um sie zu füttern oder umzukleiden“, sagt die Tochter. Und ja, sie spricht dann auch von möglichen Schlägen. Erzählt vom Saft, „der hat eine Woche am Bett gestanden, ich habe extra die Kanne gekennzeichnet“. Und schließlich vom Sterben ihrer Mutter, das sie begleitete. „Ich habe mich in dieser Situation vom Pflegepersonal völlig allein gelassen gefühlt.“ Und dann habe sie auch direkt nach dem Tod der Seniorin das Zimmer räumen und deren Wäsche durchsehen sollen.

„Ich habe sie ins Heim gegeben, damit sie dort gut versorgt wird“, sagt Ruth Black über die demenzkranke alte Frau. Damit trifft sie dann genau den Punkt, den Udo Spiecker, Geschäftsführer der ASO Alteneinrichtungen der Stadt Oberhausen gGmbH, zu der die Seniorenresidenz am Olga Park gehört, aufgreift. Spiecker und Pflegedienstleitung Britta Hartel sind über die Vorwürfe entsetzt. „Es gibt Angehörige, die sich selbst Vorwürfe machen, dass ihre Mutter, ihr Vater in eine solche Einrichtung ziehen musste“, deutet Spiecker ein möglicherweise schlechtes Gewissen bei Verwandten an. Was wiederum dazu führen könne, dass penibel auf alles geachtet würde. Er spricht zudem von einem „ausgeprägten Misstrauen“, dass Ruth Black gegenüber einer Alten- und Pflegeheim-Einrichtung gezeigt habe. „Sie war auch mit der ärztlichen Betreuung ihrer Mutter nicht zufrieden, hat den Arzt gewechselt“, so der Geschäftsführer. Der zweite Mediziner habe dann schon von sich aus überlegt, die Betreuung der Seniorin wieder aufzugeben. Spiecker wird drastisch: „Ich leite seit 20 Jahren Häuser der ASO, aber noch nie habe ich es erlebt, dass mir von einem Angehörigen eines Senioren Fotos von Verwandten vorgelegt wurden, die allein diesen besuchen dürften.“ Einer Enkelin der alten Dame habe Ruth Black, die auch Betreuerin ihrer Mutter war, gar den Zutritt zu deren Zimmer verwehrt. Die Enkelin habe von der Großmutter nicht Abschied nehmen dürfen. Die Geschichten vom Saft oder dem Zimmer, das sofort nach dem Tod der Frau geräumt werden sollte, halten Spiecker und Hartel für absurd. Zu den blauen Flecken sagen sie: „So einen Vorwurf würde ich doch nicht äußern, wenn der betreffende Mensch seit zwei Monaten beerdigt ist. Wenn ich als Angehöriger einen solchen Verdacht hätte, hätte ich mich sofort an die Heimaufsicht gewandt.“ In jedem Heimvertrag stünde die Adresse der Heimaufsicht.

„Wir sind sicher, dass sich die Seniorin bei uns wohl gefühlt hat“, bekräftigen beide. Dann verweist Spiecker auf eine Befragung von Bewohnern des Hauses durch Mitarbeiter des Bereiches Statistik und Wahlen der Stadt. Fazit der Interviews: „Alle Befragten des Hauses äußerten sich sehr zufrieden mit der Einrichtung und würden das Haus auf jeden Fall Freunden und Bekannten weiter empfehlen.“

Für alle Pflegeheime in Deutschland gibt es übrigens jetzt Noten. Schulnoten quasi von „Sehr gut“ bis „Mangelhaft“ und diese Noten müssen nicht nur im Haus ausgehängt, sondern im Internet veröffentlicht werden. Bewertungen zweier der vier Einrichtungen der ASO sind auch schon im Netz zu finden. Das Haus am Brunnen auf dem Gelände der Elly-Heuss-Knapp-Stiftung schnitt mit einer Note von 1,4 sehr gut ab und liegt damit weit über dem NRW-Landesdurchschnitt von 2,5. Haus Bronkhorstfeld wurde sogar mit 1,2 benotet.

Die Bewertung nehmen die Medizinischen Dienste der Krankenversicherung Nordrhein und Westfalen Lippe vor. Aus den Noten für die vier großen Bereiche Pflege und medizinische Versorgung, Umgang mit demenzkranken Bewohnern, soziale Betreuung und Alltagsgestaltung sowie Wohnen, Verpflegung, Hauswirtschaft und Hygiene wird eine Gesamtnote gebildet. Die Noten sollen Angehörigen helfen, sich ein Bild von der Einrichtung zu machen.

Unter www.aok-gesundheitsnavi.de finden sich u.a. schon Haus Abendfrieden mit einer Note von 1,1; das Vincenzhaus (3,0); das St. Clemens Hospitale Sterkrade (3,3); das Pflegezentrum am St. Josef-Hospital (3,7); Haus Gottesdank (4,0) oder das August-Wieshoff-Seniorenzentrum (4,3). Bis Ende 2010 sollen alle 5200 ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen in NRW von den MDK einmal überprüft worden sein. Ergebnisse finden sich im Netz auch unter www.bkk-pflege.de/Paula oder www.pflegelotse.de oder www.Der-Pflegekompass.de

Neben dem Medizinischen Dienst, steht Angehörigen die Heimaufsicht als Beschwerdestelle zur Verfügung. In Oberhausen arbeiten dort der Sozialarbeiter Holger Eichstaedt und die Pflegefachkraft Francesco Cavallo. Eichstaedt sagt zu Ruth Blacks Problem: „Wenn sich die Dame unmittelbar an uns gewandt hätte, wären wir am selben, spätestens einen Tag später dort gewesen.“ Grundsätzlich sollten sich Angehörige bei Schwierigkeiten immer zuerst an die Pflegedienstleitung, dann an die Heimleitung und wenn alles nichts helfe, an sie wenden.

Die Mitarbeiter der Heimaufsicht begehen eh alle 40 Oberhausener Einrichtungen - dazu gehören auch die für Menschen mit Behinderungen - einmal pro Jahr. Zwei bis drei Tage brauchen sie pro Haus. Der Pflegezustand der Bewohner sei in der Regel gut.

Kommentar

Pflege ist ein heikles Thema. Schon deshalb, weil Krankheit und Demenz alter Menschen, ein Elend darstellen können, das Angehörige oft nur schwer ertragen. Da passiert es womöglich schnell, dass man gerade in der Pflege den Stachel im Fleisch sieht. Wäre die nur besser, ginge es dem geliebten Menschen ebenfalls besser. Das ist ein Aspekt dieses schwierigen Themas. Ein anderer ist: Die alten Menschen sind den Pflegekräften komplett ausgeliefert - oder besser auf sie angewiesen. Sie können sich selbst nicht wehren. Da ist es ungeheuer wichtig, dass Angehörige mit aufpassen, es Kontrollinstanzen gibt, damit Schlampereien oder gar Gewalttätigkeiten sofort aufgedeckt werden. So kann es passieren, dass ein Haus völlig zu Recht in den Fokus der Öffentlichkeit gerät. Möglich ist aber auch, dass der Ruf einer Einrichtung ob unhaltbarer Spekulationen beschädigt wird, obwohl dort korrekt gearbeitet wurde. All das zeigt, alle Bereiche, in denen das menschliche Wohl von anderen Menschen abhängt, sind mehr als sensibel. Sich dort zu bewegen, bedeutet stets eine Gratwanderung für alle Beteiligten.