Aufsperren, zusperren und den Rest des Tages die Gefangenen am Bildschirm per Video überwachen – so oder ähnlich hatten sich die Zehntklässler der Gesamtschule Osterfeld den Strafvollzug und die Arbeit als Justizvollzugsbeamter vorgestellt. Kein Wunder, woher sollten sie es auch besser wissen. Ein Schülerpraktikum im Knast ist nun einmal nicht möglich.

Stattdessen waren nun Martina Dudek und Thorsten Bolle zu Besuch in der Gesamtschule. Beide arbeiten in der Justizvollzugsanstalt in Werl und klärten die Schüler über ihren Arbeitsalltag und den täglichen Umgang mit den Gefangenen auf.

Der Justizvollzugsbeamte Thorsten Bolle demonstriert dem Schüler Chris Thaler die Unterbringung in einem Gefangenentransport in Oberhausen Foto: Gerd Wallhorn
Der Justizvollzugsbeamte Thorsten Bolle demonstriert dem Schüler Chris Thaler die Unterbringung in einem Gefangenentransport in Oberhausen Foto: Gerd Wallhorn © WAZ FotoPool

Dass die Gefangenen auch arbeiten müssen – für viele Schüler eine Neuigkeit. „Zumindest hätte ich nicht gedacht, dass die so auch Geld verdienen“, gibt die 15-jährige Vanessa zu. Erstaunen auch als die Schüler erfahren, dass die Gefangenen auch Fernseher haben. Kurzzeitig entsteht der Eindruck, denen ginge es viel zu gut. „Allerdings muss man auch die Umstände betrachten. Es kommt ja immer auch auf die Tat an“, gibt Vanessa zu bedenken.

Ein kleines Beispiel von Martina Dudek bringt die Schüler zum Nachdenken: Könnt ihr euch vorstellen, wie wertvoll eine 55-Cent-Briefmarke sein kann?“ Betretenes Schweigen: Nein, einfache Briefe als einzige Möglichkeit, mit Freunden und Familien Kontakt zu halten – sieht man einmal von den 120 Minuten Besuchszeit im Monat ab – für die an Internet, E-Mail und Handy gewohnten Schüler unvorstellbar. Wann sie den letzten Brief geschrieben haben? Schulterzucken, „zu Weihnachten“, sagt Tim (16).

So bekommen die Schüler ein Gespür für Recht und Gerechtigkeit, lernen, dass im Strafvollzug die Resozialisierung oberstes Ziel ist. „Im Umgang mit den Gefangen ist es wichtig, Mensch zu bleiben“, erklärt Thorsten Bolle den schwierigen Spagat, den er und seine Kollegen täglich meistern müssen. „Denn wir haben ein enges Verhältnis zu ihnen, sind Ansprechpartner für deren Sorge und Nöten, weil wir deren Bezugspersonen sind.“ Gleichzeitig sei es jedoch wichtig, Distanz zu wahren. Freundschaften zu Insassen sind tabu.

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Von DerWesten

Deshalb sei der Job auch nicht jedem zu empfehlen: „Bewerber sollten durchaus psychisch belastbar sein“, so Thorsten Bolle. Außerdem liegt das Mindestalter für Berufseinsteiger bei 21 Jahren. „Immerhin muss man Leute einsperren, die teilweise doppelt so alt sind.“ So richtig kann sich auch keiner der Schüler vorstellen, im Gefängnis zu arbeiten. Die Aussicht – so wie in Werl – rund 900 Häftlinge betreuen zu müssen behagt ihnen nicht. Respekt und Vorsicht gewinnen doch die Oberhand. „Außerdem hat man auch ein bisschen Angst“, gibt Valentina (16) zu. Wie hart der Beruf werden kann, führt Thorsten Bolle den Schülern vor Augen. „Sofort am ersten Tag wurde ich mit dem Selbstmord eines Gefangenen konfrontiert“, schildert er die dunklen Seiten seines Berufs.

Martina Dudek und Thorsten Bolle haben beide eine abgeschlossene Berufsausbildung und sind erst später in den Justizvollzug gewechselt. „Voraussetzung ist entweder ein Hauptschulabschluss sowie eine abgeschlossene Ausbildung oder aber jeder andere Schulabschluss“, erklärt Bolle. Er selbst ist im Vollzug im Einsatz, ist zuständig für den Fahrdienst und begleitet die Häftlinge zu Gerichts- oder auch Arztterminen, seine Kollegin Martina Dudek ist im Werksdienst eingesetzt. „Ich betreue die Gefangenen während ihrer Arbeit in unseren Betrieben.“

Auch wenn keiner der Schüler spontan im Gefängnis arbeiten will – neugierig hat sie der Besuch der beiden Beamten doch gemacht. Sie hoffen nun alle auf einen gemeinsamen Gefängnisaufenthalt. Selbstverständlich nur zu Besuch. Martina Dudek und Thorsten Bolle wollen nun versuchen, das möglich zu machen.