„Can I take a picture?“ Elmira will ein Foto machen, sie sagt etwas auf Russisch zu ihren Freundinnen, dann signalisiert sie der Deutschen, dass man näher zusammen rücken muss. Gut. Die Baschkirin grinst. Es ist das erste Foto auf der Speicherkarte, der erste Tag in Deutschland. Willkommen, Multis.

Die sechs Jugendlichen in dem weißen Kleinbus blicken aus dem Fenster. Hinter ihnen verschwindet der Düsseldorfer Flughafen zwischen den Bäumen, an der Autobahnauffahrt muss Fahrer Werner Meyerhoff kurz warten. Masha knistert mit dem Wasserbecher, den sie aus dem Flieger mitgenommen hat, sie gähnt in die Mittagsluft, sagt, dass sie um vier Uhr aufgestanden ist und zu Hause bereits Abend sei. Trotzdem sind die Augen der 16-Jährigen hell wach: Nur Arseniy, ein stiller Junge hinten rechts im Bus, war schon einmal hier, alle anderen fahren zum ersten Mal auf eine deutsche Autobahn.

Mercedes, Volkswagen, ein Porsche — zwischen all dem Russisch versteht Fahrer Meyerhoff nur die Markennamen. Ob die Mädchen Autos toll fänden, fragt er. „Autos sind mein Hobby“, antwortet Elmira auf Englisch, fährt sich mit den Fingern über die zum Zopf geflochtenen schwarzen Haare und schaut einem BMW nach, der gerade den Bus überholt. „Deutsche Autos sind die besten.“ Und so schnell. „Ab wann darf man hier Auto fahren?“, will Eseniya wissen, winkt aber ab, als sie feststellt, dass sie zu jung ist. Und Bier trinken? Ab 16. „Ich liebe dieses Land.“ „Wie alt bist du denn?“, will Meyerhoff wissen. „Gerade 16 geworden“, lacht die junge Frau, sagt dann aber etwas auf Russisch und zeigt nach vorne: Stau.

Er schafft Zeit für ein Gespräch: Viel wissen die Jugendlichen noch nicht von ihrer neuen, temporären Heimat, Paul wollen sie natürlich sehen, von dem haben sie auch in Russland gehört, wozu ihr Baschkortostan gehört. Und Pizza essen, denn das scheint ein deutsches Nationalgericht zu sein. „Als die Deutschen 2009 bei uns waren, haben sie nur Pizza gegessen.“

Der Verkehr entzerrt sich, Meyerhoff fährt von der A40 ab und Elmira erinnert sich an die Bilder im Fernsehen, von einem langen Tisch und viele Menschen, die auf der Autobahn Fahrrad fuhren. Dann verstummt sie, die Mädchen flüstern und schauen auf die Häuser in Alstaden. „So cute“, so süß seien diese, in Ufa, der Hauptstadt Baschkortostans, würden die meisten in Wohnungen leben, nicht in so schönen Häusern, erklärt Masha. Elmira macht wieder ein Foto, sagt „Subway“, wenn sie eines sieht und bemerkt, dass das Amtsgericht ein schönes Gebäude sei. Fahrer Meyerhoff zeigt noch auf das Rathaus, die Mädchen flüstern wieder, dann stoppt er den Motor von dem NH-Hotel - und Eseniya quietscht: Vor dem Fenster steht ihre deutsche Gastschwester, die Schiebetür des Busses will sich nicht öffnen, ein festes Zugreifen von Timur — „Welcome to Oberhausen“, ruft einer.

Aber nicht Sophie (16), sie nimmt Elmira stattdessen erst einmal in den Arm, redet dann aber aufregt auf die Baschkirin ein. Gleich würden sie Minigolf spielen und dann Fahrrad fahren und etwas leckeres essen und morgen an den See und dann… Elmira nickt, lässt sich einfangen von dem Stimmengewirr und lächelt. „Das wird eine spannende Zeit!“