Zu Besuch bei Paul, dem Oktopus-Orakel im Sea Life: Über Mittagsschläfchen, England, Kitzeligkeit und seine Leidenschaft für Spanien.
Heute morgen war er noch der starke Macker, der Entscheider: Sieg für Spanien am Mittwoch, prophezeite Oktopus Paul und sonnte sich im Blitzgewitter der internationalen Presse. Jetzt hat sich das „O-Krakel“ in die linke Ecke zurückgezogen. Gleich neben den sorgfältig platzierten Fußballschuh. Mittagsschläfchen. Wer kann es ihm verdenken – für viel Wirbel ist so ein Kraken ohnehin nicht zu haben.
Andererseits wird Paule nachgesagt, dass er sich bei Frauen und Kindern herausputzt und winkt. Das meint jedenfalls Sealife-Pressesprecher Daniel Fey: Paul ist eben ein echter Kerl, sonst hieße er ja auch Paulinchen. So genau weiß man es bei den Artverwandten der gemeinen Schnecke nämlich nicht.
Links unten, das ist übrigens auch Del Pieros Lieblingseck gewesen. 27 von 30 Elfmetern platzierte er dort. Argentinien musste dennoch die Heimreise antreten. Gegen Spanien könnte es für Jogis Elf jedoch anders aussehen, tippte der weise Wirbellose. Doch was weiß schon jemand, der seine Gehirne quasi in der Nase hat. Zusammen mit drei Herzen und anderen Organen...
„Oh, it’s Paul!“ – eine Gruppe Engländerinnen versammelt sich vor der mit Fußballwimpeln umrahmten Glasscheibe; und Paule scheint noch ein Stückchen weiter ins Eck zu rutschen: „Ew, I don’t like octopus“, bemerkt eine schnippisch, die wohl Pauls weise Vorhersage gegen England nicht überwunden hat: „Ich mag keine Kraken.“ Eisbär Knut hatte es einfacher – dabei stammt der Oktopus sogar aus der britischen Küstenstadt Weymouth. „Vielleicht schämt er sich auch“, mutmaßen manche Besucher, wegen seines neusten Tipps.
Denn Paul wählte diesmal die Leckereien aus dem Behälter mit der gelb-rot-gelben Flagge. Der achtarmige Charmebolzen scheint eine Schwäche für Spanien zu haben, will Fey trösten, schon zur Europameisterschaft habe er angeblich auf die Südländer getippt. Sie wurden es auch.
„Für Spanien? So ein Mist“, sieht eine Frau schon die Felle für „unsere Elf“ wegschwimmen. „Kann sich doch mal vertippen“, lässt hingegen ein junger Mann großzügig acht Arme gerade sein. Wenn Paul übrigens nicht tippt, spielt er mit den Pflegerinnen. Maria Bauer ist eine Spielgefährtin des schwimmenden Charmeurs. Wenn der einmal allzu zudringlich wird, kitzelt sie ihn mit einer kleinen Bürste – das lockert die Stimmung auf und seine acht Arme. Manchmal legt sie auch kleine Plastikbälle ins Becken. Paul holt sie sich runter und lässt sie wieder aufsteigen. „Das macht ihm Spaß. Wenn man den Deckel zum Becken hebt, muss man aber ganz schön aufpassen“, verrät sie. Denn der behände Kraken kann schneller draußen sein, als man „wild wibbelnder Wackelpudding“ sagen kann. So ähnlich sehe Paul auch aus, sagt die 19-jährige Auszubildende, wenn er über den Boden laufe.
Im Becken lässt er hingegen grazil seine gekringelten Arme ausfahren und gleitet die Glaswand hinauf, selbst wenn mancher Besucher findet, dass er auf Fotos irgendwie größer wirke. „Tschüss Paul“, verabschiedet sich ein Junge, „wenn Spanien gewinnt, gibt es Calamari“. Doch der Vater schreitet erzieherisch ein: „Guck dir den doch mal an – das gibt nicht viel.“ Den Kraken von Welt hingegen juckt das wenig. Paul ist längst ein internationaler Star und schwimmt in ganz anderen Gefilden.