Noch hat er keinen Schlüssel zu seinem Büro: Thomas Liedtke wartet vor dem Pfarrhaus St. Marien darauf, dass ihm jemand die Tür öffnet.

Der 29-Jährige spricht übers Wetter, verlagert sein Gewicht von einem Bein aufs andere, steht dann still, als Thomas Eisenmenger im Türrahmen erscheint: „Unser neuer Gemeindereferent“, begrüßt ihn der Pfarrer und führt Liedtke mit seinem Besuch zu einem angenehm kühlen Büro, in dem zwischen einem alten Wandschrank an der einen und einem Kruzifix an der anderen Wand Liedtkes erstes Pressegespräch stattfinden wird: „Auch das ist Aufgabe des Gemeindereferenten.“

Zehn Jahre habe er auf diesen Beruf hingearbeitet, sagt der gebürtige Münsterländer. „Ich bin seit meiner Kindheit in der Kirche aktiv, wollte auch hauptamtlich in ihr arbeiten, aber nicht als Pfarrer.“ Denn er sei ein Familienmensch und habe nicht zölibatär leben wollen. Ein guter Freund habe ihn auf einen noch neuen Beruf aufmerksam gemacht: Gemeindereferenten gibt es erst seit den 70er Jahren, eine Weiterentwicklung der Seelsorgehelfer, die es seit Anfang des 20. Jahrhunderts in Deutschland gibt. „Gemeindereferenten haben ähnliche Aufgaben wie Pastoren: Wir sind für die Menschen in der Gemeinde da und erzählen ihnen vom Glauben.“

Als Jugendlicher war Liedtke zuerst Messdiener, hat sich später für den Studiengang Religionspädagogik an der Fachhochschule Paderborn eingeschrieben. Im Münsterland wollte er arbeiten, lernte während des Studiums aber seine heutige Frau kennen, der zuliebe er nach Essen wechselte. Vor zwei Jahren begann er den praktischen Teil seiner Ausbildung im Duisburger Süden, in der Pfarrei St.-Judas-Thaddäus. Sein Schwerpunkt: Firmungsvorbereitung. Sein Fazit: „Die neuen Strukturen sind weiterhin schwierig.“

„Ein Wir-Gefühl zu entwickeln, das braucht viel Zeit.“

Diese neuen Strukturen sind vor allem größere: 2006 haben sich viele Pfarreien per Dekret zusammenschließen müssen. Liedtke hat in Duisburg 2009 erstmals die Firmungen der sechs ehemaligen Gemeinden zentral geplant und umgesetzt. „Einige Gemeinden sind traditionell sehr verwurzelt und haben Bedenken, dass sich der Einzelne im Größeren verliert. Ein Wir-Gefühl zu entwickeln, das braucht viel Zeit.“

Bei jungen Menschen geschehe das schneller, deshalb erwartet Liedtke in diesem Bereich weniger Probleme in St. Marien, wo er im September als frisch gebackener Gemeindereferent auch für die Jugendarbeit zuständig sein wird. Wie er diese Arbeit anpacken will, weiß er bereits: „Jugendliche wollen keinen, der die ultimative Lösung hat, sie brauchen jemanden, der sich für ihre Belange interessiert. So können wir Kirche attraktiver machen.“

Liedtke freut sich auf den Kontakt mit der Gemeinde und auf kritische Diskussionen mit der Öffentlichkeit, zu denen er beharrlich Stellung bezieht. Zum Beispiel zu den Skandalen der letzten Zeit: „Wir verkünden eine wundervolle Botschaft, die einige Menschen aber ausgenutzt haben. Sie sind zu Recht abgesetzt worden“, sagt er mit fester Stimme. Gab es wirklich nie einen Moment des Zweifelns? Der junge Mann lächelt, als hätte er mit dieser Frage gerechnet: „Zweifel gab es nie.“ Fragen ja, aber die müssten auch bleiben: „Sonst kann man ja nicht von Glauben sprechen.“

Info: Ausbildung

Gemeindereferent ist ein Beruf in der Katholischen Kirche. Um ihn ausüben zu können, muss man an einer Fachhochschule ein religionspädagogisches Studium machen, kommt danach in ein Anerkennungsjahr und in eine zweijährige Assistenzzeit. Der Referent macht nicht nur Jugend- und Seniorenarbeit, er hat auch liturgische Aufgaben, hält also Wortgottesdienste, macht Seelsorge und unterstützt die Arbeit der katholischen Vereine. In den vergangenen Jahren hat sich aufgrund des Priestermangels und wegen der weniger werdenden Ehrenamtlichen vor Ort das Berufsbild etwas verschoben. Hinzugekommen sind Vertretungsdienste, Öffentlichkeitsarbeit und der Unterricht an Schulen.