Oberhausen.
Oberhausen. „Eine Frauenhüfte ist anders, wir Männer wissen das.“ Mit einem Schmunzeln auf den Lippen hörten am Montagabend 140 WAZ-Leser im Pfarrsaal von St. Pankratius Dr. Hans-Peter Jüsten, Chefarzt der Orthopädie und Unfallchirurgie des St. Marienhospitals, bei seinem Vortrag über künstliche Gelenke zu. Beim ausverkauften dritten Medizinforum, dass Thomas Schmitt, Redaktionsleiter der WAZ Oberhausen moderierte, ging es aber durchaus um ein ernstes Thema: „Endoprothetik – Bewährte und innovative Wege beim Gelenkersatz.“
In der Tat hat die Medizintechnik die weibliche Anatomie quasi gerade erst entdeckt. Die Gelenke von Frauen seien schmaler, sie hätten andere Winkel und stünden anders als die der Männer, führte Jüsten aus. Wenn man ein Gelenk ersetzen wolle, müsse man diese anatomischen Gegebenheiten beachten, damit Hinken oder Schmerzen nach der Operation vermieden werden. Eine „modulare Hüfte“ stelle die optimale Lösung dar: Das ist ein künstliches Gelenk, dass nach einer Auswertung des Röntgenbildes aus verschiedenen Teilen so zusammengesetzt wird, dass es dem Original besonders nahe kommt – nicht nur für Frauen nützlich. „Wir sind die einzigen in Oberhausen, die eine solche modulare Hüfte einsetzen“, so der Orthopäde.
Soweit zum Innovativen. Aber auch für Bewährtes brach der Arzt eine Lanze, etwa wenn es darum geht, ob eine zementierte oder eine zementfreie Hüfte eingesetzt wird. „Dass die zementfreie moderner ist, ist ein Klischee“, erklärte Jüsten, „die zementierte Hüfte hat einige Vorteile.“ So verteile der Zement die Kraft besser auf den Knochen. Zudem seien zementierte Hüftgelenke mit Verweildauern von 20 bis 30 Jahren deutlich haltbarer. Allerdings ist die Technik aufwändiger. Eine erschreckende Zahl: Nur 29,4 Prozent der zementierten Hüftgelenke werden laut Jüsten in Deutschland fachgerecht, also nach allen Regeln der Kunst, eingesetzt.
Jüsten betonte, dass alle Hüft- und Knieendoprothesen im St. Marienhospital schonend durchgeführt werden – mit einem kleinen, günstig liegenden Schnitt und ohne die Muskeln zu lösen oder zu durchtrennen. Denn das verzögere die Heilung. Ist die Knochensubstanz gut, kann gegebenenfalls sogar erst einmal auf eine „große“ Prothese verzichtet werden – es reicht eine künstliche Gelenkkappe, ähnlich einer Zahnkrone.
Manchmal besteht das Neue darin, dass man eine bewährte Technik an einem anderen Ort anwendet. Dr. Hans-Dieter Jung, Oberarzt der Orthopädie am St. Marienhospital, erklärte den Zuhörern, wie die Hüfte gespiegelt werden kann. So genannte „Arthroskopien“ werden am Knie schon seit 30 Jahren gemacht. Bei der Hüfte sei das komplizierter, aber ausgesprochen Erfolg versprechend, vor allem, wenn der Gelenkverschleiß noch nicht so weit fortgeschritten ist. Bei der Spiegelung werden entzündete Gewebeteile und knöcherne Überstände oder freie Gelenkteilchen entfernt und so die Schmerzen genommen. Jungs beeindruckendster Fall: Eine 34-jährige Patientin, die sich wegen einer künstlichen Hüfte vorstellte und die massive Schmerzen hatte, konnte damit bald wieder beschwerdefrei laufen.
Wie wichtig gezielte und angeleitete Bewegung nach der Operation ist, erklärte Physiotherapeut Jürgen Hastenpflug. Bei Arthroskopien holen er und sein Team die Patienten schon am OP-Tag aus dem Bett, am 1. Tag danach geht es aber auch für die Menschen mit neuer Hüfte oder neuem Knie richtig los mit erstem Gehen an Unterarmgehstützen, mit Übungen gegen die gefürchtete Thrombose (Gefäßverstopfung) und spezieller Krankengymnastik. Zehn Tage nach der Operation sollen die Patienten wieder Treppen steigen und laufen können, so der Leiter der Physiotherapie im St. Marienhospital. „Wir wollen, dass sie ihre Selbstständigkeit so früh wie möglich wiedererlangen.“ Dazu sei eben mehr nötig als ein neues Gelenk aus Metall, eine Kappe oder ein entferntes Gewebe: „Die beste OP hilft nichts, wenn sie danach im Bett liegen bleiben.“