Die Keime sind unter uns. Und je bedenkenloser Menschen Antibiotika schlucken, desto mehr üben sich gefährliche Bakterien in der Resistenz.

MRSA, auch als Krankenhauskeim bezeichnet und in voller Wortpracht Multi resistenter Staphylokokkus aureus genannt, geistert als oft tödliches Schreckgespenst schon länger durch die Medien. Allein, MRSA hat längst Gesellschaft bekommen. Clostridium difficile ist ebenfalls sehr gefährlich. Die Toxine, die das Bakterium ausscheidet, verursachen schwerste Durchfälle, die so heftig sein können, dass der Patient einen Schock erleiden kann. In besonders schweren Fällen tritt eine massive Entzündung des Dickdarms auf, eine Darmerweiterung, sogar ein Durchbruch des Darms in den Bauchraum ist möglich. Was dann eine Blutvergiftung zur Folge hat.

„Für mich ist es spannender, als es das Norovirus oder die Schweinegrippe je waren“, sagt Dr. Klaus Becker, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin am St. Clemens Hospitale, über das Thema Clostridium difficile. Denn die therapeutischen Maßnahmen sind beschränkt. Nur zwei Antibiotika sind auf dem Markt, die es mit dem Keim noch aufnehmen. Dr. Becker arbeitet als einziger Infektiologe in Oberhausen. „Wir haben hier einen Schwerpunkt Infektiologie, deshalb sammeln sich die Fälle bei uns“, sagt Dr. Becker.

Doch auch in anderen Kliniken ist das Problem Clostridium difficile erkannt. Dr. Thomas Rieger, Chefarzt des Instituts für Laboratoriumsmedizin und klinische Mikrobiologie und infektiologisch tätig an den Evangelischen Krankenhäusern in Oberhausen, Mülheim sowie im gesamten Klinikum Niederrhein, sagt, dass die Zahl der Erkrankungen durch besagten Keim deutlich zunimmt. Der Arzt überblickt dabei einen Bereich von 2500 Krankenhausbetten.

Aber warum diese Zunahme? Dr. Becker macht deutlich, dass Clostridium difficile ein äußerst diffiziles Thema ist. „Das Bakterium gibt es schon sehr lange“, sagt Dr. Becker. Es lebt bei drei Prozent aller gesunden Menschen im Darm, ohne Probleme zu verursachen. Wenn jetzt aber ein Mensch ein Antibiotikum einnimmt, tötet das diverse andere Keime im Darm ab. Clostridium difficile kann sich nun wunderbar vermehren. Die giftigen Stoffwechselprodukte der Bakterien lösen oben geschilderte Probleme aus.

Allerdings, ganz so simpel ist die Sache nicht. Denn nicht alle Keime bilden Toxine, das tun nur bestimmte Stämme, sagt Dr. Becker. Vieles, was Clostridium difficile betrifft, ist noch ungeklärt. Dr. Becker: „Was man weiß, die Zahl der Keime, die Giftstoffe bilden, hat zugenommen. Die Giftstoffe werden aggressiver. Und gleichzeitig die Patienten kränker und deshalb weniger widerstandsfähig gegen diese Keime. Das Tückische ist zudem: „Die Durchfälle können noch Wochen nach der Antibiotika-Einnahme auftreten“, so Dr. Becker. Wer einen toxin-bildenden Keim in sich trägt, der steckt andere Menschen an, die dann auch erkranken. Während die Ansteckung mit den übrigen Stämmen der Keime keine Probleme verursacht. Was Dr. Becker nicht will: „Antibiotika verteufeln, nur den unkritischen Einsatz vermeiden“, fordert er.

Was aber ist zu tun, um das Problem, von dem Dr. Becker sagt, dass es sich aufbaut, im Keim zu ersticken? „Wir isolieren die Patienten“, sagt er. Das tut man auch in den Evangelischen Krankenhäusern. Dr. Rieger verweist auf die Widerstandsfähigkeit des Bakteriums, dem mit Infektionsmitteln nicht beizukommen und das nur durch Händewaschen und Putzen zu entfernen ist. Übrigens empfiehlt auch das Robert-Koch-Institut entsprechende Hygienemaßnahmen in seinem „Epidemiologischen Bulletin“. Dort ist zudem zu lesen, dass der in den letzten Jahren zu beobachtende Anstieg der Morbidität und Mortalität bei Infektionen mit jenem Keim zunehmende Aufmerksamkeit erfordere.

„Clostridium difficile ist in der Tat ein Problem“, sagt Dr. Henning Karbach, Leiter des Gesundheitsamtes. Allerdings sind Erkrankte in Oberhausen zahlenmäßig schwer zu ermitteln. „Die Krankheit ist nur in bestimmten Fällen meldepflichtig“, erklärt Dr. Karbach. Etwa, wenn sie gehäuft auftritt, also mehrere Patienten gleichzeitig in ein Krankenhaus eingeliefert werden.

„Diese Fälle sind bei uns noch nicht vorgekommen“, so Dr. Karbach. Er ist überzeugt: „Die multiresistenten Erreger werden für mich ein dickes Thema sein.“ Gerade 2010 wollen die Mitarbeiter des Gesundheitsamtes eine Aktion starten. Eine Zusammenarbeit der Akteure des Gesundheitswesens, der Kliniken, niedergelassenen Ärzte und Transportunternehmen, stellt sich Dr. Karbach vor. Zunächst will man die MRSA-Problematik und später die des Clostridium difficile (CDI) angehen. Auch Dr. Karbach kritisiert eine wenig differenzierte Verschreibungsweise von Antibiotika: „Dadurch züchten wir uns selber resistente Bakterien heran.“

In Deutschland wurden übrigens laut Robert-Koch-Institut in der Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember des vergangenen Jahres 7471 CDI-Fälle übermittelt, darunter 817 meldepflichtige. Bei 441 Patienten war die Erkrankung tödlich.