Das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik Umsicht wird in diesem Jahr 20 Jahre alt. Vor der Geburtstagsfeier am Mittwoch sprach Thomas Schmitt mit Institutsleiter Prof. Dr. Eckhard Weidner.
Warum siedelte sich Umsicht 1990 in Oberhausen an?
Die Initiative zur Gründung als Institut der Fraunhofer-Gesellschaft ging 1989 von Professor Weinspach aus, der an der Uni Dortmund thermische Verfahrenstechnik lehrte. Weil die FhG mit der Wende ihre Ressourcen in den Aufbau der Ost-Institute lenkte, sprang das Land ein. In Ergänzung zum TZU sollte Wissenschaft auf dem Stahlwerksgelände eine Heimat finden.
Sie organisieren und finanzieren sich nach dem Fraunhofer-Modell. Was ist das?
Fraunhofer ist die größte Forschungsinstitution für angewandte Forschung in Europa, mit einem Umsatz von 1,8 Mrd Euro und 18 000 Mitarbeitern. Die Mission von Fraunhofer besteht darin, Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung in industrielle Anwendung zu überführen.
Wie finanzieren Sie sich?
Aus Aufträgen aus der Industrie und aus Fördermitteln von Bund, Ländern und der Europäischen Union. Für jeden Euro, den wir bei der Industrie einwerben, weil wir eine attraktive Dienstleistung anbieten oder uns ein tolles Projekt ausgedacht und einen Partner dafür gefunden haben, sieht das Fraunhofer-Modell eine Grundfinanzierung zwischen 25 und 45 Cent vor. Diese Mittel für unsere Eigenforschung kommen vom Bundesforschungsministerium.
Wie hoch ist der Anteil aus der privaten Wirtschaft im Gesamtbudget von Umsicht?
Knapp 42 Prozent. Das heißt für uns in Oberhausen mit einem Jahresumsatz von 20 Millionen Euro: Circa Acht Millionen Euro sind reiner Industrieertrag.
Sie arbeiten mit der Ruhr-Uni zusammen und bieten ein Fernstudium in Hagen an. Wird das angenommen?
Wir arbeiten mit praktisch jeder Uni und jeder Fachhochschule hier im Ruhrgebiet zusammen. Es gibt Projekte mit Duisburg/Essen, mit Bochum, mit Dortmund und mit der neuen Fachhochschule in Mülheim und Bottrop. Der Fernstudiengang Infernum wurde vor ca. 10 Jahren zusammen mit der Fern-Universität in Hagen gegründet und ist zu einer Erfolgsgeschichte geworden. Inzwischen sind dort über 400 Studierende im Alter von 20 bis Ende 40 Jahren eingeschrieben. Der Masterstudiengang richtet sich nicht nur an Naturwissenschaftler und Ingenieure, sondern wird auch von anderen Disziplinen sehr gut angenommen. So sind beispielsweise Verwaltungsmitarbeiter, Bibliothekare oder Juristen, die sich im Bereich Umweltwissenschaften weiterbilden wollen, eingeschrieben.
Wieviele Partner in der Industrie haben sie vor Ort?
Natürlich die EVO und im Förderverein die August Heine Baugesellschaft und der Verlag Karl Maria Laufen. Außerdem gibt es vier bis fünf andere Unternehmen, mit denen wir kooperieren. Insgesamt wickeln wir pro Jahr knapp 500 Einzelaufträge ab, mit einem Volumen von 10 000 bis zu zwei Millionen Euro. Etwa 70 Prozent unserer Industriekunden sind kleine und mittelständische Unternehmen.
Sie verstehen sich als Keimzelle. Sind aus Ideen Unternehmen geworden?
Die Nutzung von Grubengas zur Stromerzeugung war eines der Themen, die Umsicht führend mit vorangetrieben hat. Hier wurden auch Firmen ausgegründet. Zur Zeit passen wir die hier entwickelten Technologien zusammen mit diesen Firmen in ein EU-Projekt auf die speziellen Anforderungen in Osteuropa an. Ein zweites Beispiel sind biobasierte und bioabbaubare Kunststoffe. Neben unserer Außenstelle in Willich, in der wir spezielle Rezepturen entwickeln, hat sich die Firma FKuR angesiedelt, die mit unseren Materialien erfolgreich verschiedene Märkte bedient. Ein Beispiel sind Folien, die in der Landwirtschaft beim Spargelanbau zum Einsatz kommen. Nach der Erntesaison können diese Folien untergemulcht werden und werden durch Mikroorganismen im Boden innerhalb von wenigen Monaten in CO2 und Wasser umgewandelt. Dieses Thema entwickelte sich - auch in der Wirtschaftskrise - sehr erfreulich.
Was bringt die Zukunft?
Wir bauen in enger Kooperation mit der Ruhr-Uni ein Kompetenzzentrum für Pumpen auf. Die deutsche Pumpenindustrie ist weltweit führend, allein in NRW gibt es 130 Unternehmen, die Pumpen herstellen, von der Herzpumpe bis zur Betonpumpe. Oft ist uns gar nicht bewusst, wie wichtig Pumpen für unser tägliches Leben sind. Und wie häufig sie vorkommen. Eine Faustformel in der Chemie lautet: pro Mitarbeiter eine Pumpe. Das heißt in einem Unternehmen mit 30 000 Mitarbeitern laufen 30 000 Pumpen. Wir haben in Bochum zwölf Lehrstühle gefunden, die Aspekte des Themas untersuchen werden. Das fängt an bei den Werkstoffen und geht über die Regelungstechnik bis zur Produktions-Automatisierung. Das Land Nordrhein-Westfalen schiebt das Projekt mit 3,5 Millionen Euro an.
Die FhG hat sich das Thema Energiespeicher auf die Fahnen geschrieben. Was heißt das für Oberhausen?
Wir haben das Glück, dass dieses sogenannte Fraunhofer-Zukunftsthema von Oberhausen aus koordiniert wird. Hintergrund ist die Tatsache, dass wir künftig 30 bis 40 Prozent unserer Energie aus Wind, Sonne und Biomasse erzeugen und die Elektro-Mobilität ausbauen wollen. Die Frage, wie der Strom verlässlich bereitgestellt werden kann ist daher ein großes Wachstumsthema. Ein wichtiger Schlüssel für die Zuverlässigkeit ist die Energiespeicherung. Wir sind 2009 aus dem Konjunkturprogramm unterstützt worden, um hier in Oberhausen Teststände für Lithium-Batterien und andere Energiespeicher aufzubauen.
Sie haben ein Energiekonzept für das Stadion von Bayer Leverkusen entwickelt, sind Sie bei der geplanten Skihalle am Ball?
Dem Investor ist daran gelegen, wir haben aber noch keinen Auftrag. Es ist sicher sinnvoll das Fernwärmenetz der EVO zu nutzen. Kraft-Wärme-Kopplung ist hochgradig vernünftig. Es macht Sinn, Wärme in Kälte umzuwandeln. Eine Frage lautet: Reicht das im Sommer aus?
Sie sind in den vergangenen 20 Jahren stetig gewachsen. Geht das so weiter?
Wir sind in den letzten vier Jahren beim Umsatz um jeweils drei bis fünf Prozent gewachsen, das Mitarbeiter-Wachstum war ähnlich. Ich denke 2010 werden wir moderat weiterwachsen. Die Auftragseingänge entwickeln sich erfreulich.
Sie loben ihre hochmotivierten Mitarbeiter. Wie erklären Sie sich dieses Engagement?
Wir bieten ein gutes Arbeitsumfeld und relativ viel Freiheit, Themen, für die man sich begeistert, anzuarbeiten, zu gestalten und technisch umzusetzen. Zusammen mit einer attraktiven experimentellen Ausstattung und Weiterbildungsangeboten fällt es den Mitarbeitern leicht, sich selbst zu motivieren. Hinzu kommen flexible Arbeitszeitmodelle mit denen wir auf die verschiedenen Lebensphasen eingehen. Zum Beispiel haben wir im letzten Jahr ein Mit-Kind-Büro eingerichtet. So können Mitarbeiter ihr Kind mitbringen, wenn es kurzfristig Probleme mit der Betreuung geben sollte.
Am kommenden Mittwoch feiern Sie den 20. Geburtstag Ihres Instituts. Dabei vergeben sie erstmals einen Wissenschaftspreis. Warum?
Ausgelobt wurde dieser von unserem Förderverein gemeinsam mit dem Wissenschaftsforum Ruhr und gefördert von einer Vielzahl an Unternehmen im Ruhrgebiet. Den Förderverein gibt es seit der Gründung von Umsicht. Ansässige Unternehmen unterstützen mit ihrer Mitgliedschaft unsere Projekte. Mit dem Preis wollen wir nachhaltige Entwicklungen honorieren. Es gibt außerdem zwei Preise für Wissenschafts-Journalismus, weil es aus unserer Sicht sehr wichtig ist, nicht nur zu forschen, sondern Forschung und Technik verständlich darzustellen.