Ein bisschen Revolte gegen spießige Sexualmoral und jede Menge Schlager: Das Muscial „Schlager lügen nicht” inszeniert die 70er Jahre.
Die klatschbunten Kreise auf der braunen Tapete der Familie Spengler verraten eigentlich schon, wovon das Musical „Schlager lügen nicht” handeln wird: Im Theater an der Niebuhrg trifft orangefarbener Blumenkinderfrohsinn auf den konservierten Konservatismus der verdrängungsfreudigen Nachnazi-Generation.
„Wann wird's mal wieder richtig Sommer?”, beschäftigt die Spenglers doch mehr als der Tod von Benno Ohnesorg, das Attentat auf Rudi Dutschke, Notstandsgesetze oder der Deutsche Herbst. Vater Richard Spengler hat sich gerade den neuen Farbfernseher gekauft, da fährt seine Frau Maria (Melanie Rasch) ausgerechnet das Auto an die Mauer – „und ich hab noch gehupt”, erklärt Maria dem entgeisterten Männe. Der Italienurlaub wäre damit gestorben, wenn nicht Tochter Doro (Sonja Hebestadt) im Hitparadenquiz eine Mallorcareise gewonnen hätte. Die forsche Tochter will ihren Freund mit auf die Insel nehmen, das passt aber Papi nicht, der die stürmische Doro schon mit Nachwuchs sieht, schließlich wurde Richard auch mit 17 Jahren Vater. Außerdem gibt es Verwicklungen in der Hitparade: Dieter baggert Ulla an, die ist aber mit Björn zusammen – hat da jemand Cindy und Bert gerufen?
Regisseur Thomas Schiffmann inszeniert die Siebziger Jahre als heiteren Schlagerschwank, in dem burschikose, Bravo-aufgeklärte Teenager einzig die patinierte Doppelmoral ihrer Eltern überwinden müssen. Und bleibt damit ganz dem bürgerlichen Familieidyll verschrieben, den die Hits damals musikalisch zementierten: Ein bisschen Spießigkeit geht eben immer und die Generationskonflikte kreisen um die Frage, wer wann mit wem – ein geschmacksneutraler Eintopf, der ruhig etwas von der politischen Würze der Zeit hätte verkraften können.
Die Spenglers wirken darin so naturidentisch wie die halbwertszeitlosen Acrylltrainingsjacken aus dieser Zeit – es passt, weil die apolitische Seite der Siebziger zum gesellschaftlichen Dauerzustand geworden ist. Selbst die Tapeten sind heute wieder „cool”.
Gewürzt ist die durchschaubare Geschichte aus dem Prilblumenumklebten Klischeealbum zum Glück mit zumeist starken Stimmen und überraschend witzigen Einfällen: „Im Wagen vor mir” inszenieren die Amateurschauspieler etwa mit rollenden Sesseln, zu „Fiesta Mexicana” treten sie mit Schnauz und Sombrero auf.