Der Streifenwolf, eine Maschine, die Niederländer entwickelten, frisst kleine Zweige und Äste.
Der Anfang der Welt. Ihr Ende. Mysterien. Eindeutig definiert ist dagegen ihre Mitte. Sie ist in diesem Fall exakt zwei Meter breit. Sagt Henk Brouwer (48). Der Niederländer hat sich rechts von der Mitte positioniert, ohne dass das jetzt etwas mit einer Gesinnung zu tun hätte. Und auch dass es hier Grün gewissermaßen an den Kragen geht, ist politisch gesehen völlig korrekt. Und dass Brouwer auf einem Streifen-Wolf sitzt, hat nichts mit Tierquälerei, sondern mit Verkehrssicherheit zu tun.
Das Getöse der Lkw und Pkw ist enorm. Die Wagen fahren dicht an dicht auf der BAB 3 zwischen dem Autobahnkreuz Oberhausen und der Anschlussstelle Holten. Die linke Fahrspur ist auf einem kurzen Stück gesperrt. Das ist Streifen-Wolf-Territorium. Die leuchtend orange-farbene Maschine schneidet die Sträucher auf dem Mittelstreifen. Dabei hält sie, was den Lärmpegel betrifft, ganz gut mit dem Brausen des Verkehrsstroms mit. Henk Brouwer lenkt hoch oben in einer kleinen Kabine das Gerät, das so viel auf einmal kann. „Das geht schneller als mit der Heckenschere”, lacht Brouwer. Und er ist froh, dass die Glaswände seines Reiches den Lärm ein wenig draußen halten. Während er das erzählt, fressen sich zwei in einem geschützten Rahmen rotierende Sägeblätter von je 80 cm Durchmesser ins Geäst. Stutzen es auf einer Höhe knapp über den Leitplanken. Ein knall-roter Roboterarm greift die Zweige, transportiert sie in den integrierten Schredder des Streifen-Wolfes. Das Schreddergut wird durch dicke Schläuche auf LKW hinter dem Streifen-Wolf geblasen und abtransportiert. Von „25 Kubikmeter pro Tag” spricht der Niederländer.
Verrückt
Draußen, rund um den Wagen, packen fünf Leute zusätzlich mit an. Einer von ihnen ist Paul Brouwer (52), Henk Brouwers Bruder. „Wir sind ein kleines Unternehmen aus Gronau und draußen immer mit dabei”, sagt Brouwer von der MSE Mulchservice GmbH. „Du musst schon verrückt sein, wenn du immer hier stehst”, sagt der 52-Jährige über seinen nicht ungefährlichen und anstrengenden Job. Ein „bisschen verrückt” findet er auch, dass der Streifen-Wolf eine Schöpfung des Unternehmens ist. „Wir haben die Maschine selbst entwickelt und gebaut”, erzählt Paul Brouwer. Sie erledigten schon lange die Mularbeiten auf den Mittelstreifen. „Die Leute von den Straßenämtern haben immer gesagt, der Rückschnitt ist keine leichte Sache, da haben wir die Maschine entworfen”, erklärt der Niederländer. Seit drei Jahren ist sie nun auch in Deutschland im Einsatz. Im Gebiet der Straßen.NRW-Regionalniederlassung Ruhr, der Autobahnmeisterei Kaiserberg, wurde der gefräßige Streifen-Wolf aber in diesem Herbst zum ersten Mal gesichtet. Die 30 Kilometer die auf Oberhausener Stadtgebiet an Mittelstreifen gestutzt werden müssen, sind für das hungrige Tier ein Appetithappen. 160 Kilometer darf er im kompletten Gebiet „abgrasen”. „Normalerweise schaffen zehn Leute ein bis zwei Kilometer pro Tag, wir schaffen mit sechs Leuten zehn Kilometer”, sagt Brouwer. Und Brouwers arbeiten nicht nur tagsüber, sie sind auch nachts im Einsatz. Für den Streifen-Wolf, der so patent ist, haben die Brüder kein Patent angemeldet. „Wenn Leute nur etwas ändern, ist das Patent nichts mehr Wert”, so Paul Brouwer.
Äpfel als Wurfgeschosse
„Bei uns ist der Streifen-Wolf zum ersten Mal im Einsatz”, sagt Hermann Kunert, der stellvertretende Leiter der Autobahnmeisterei Kaiserberg. Er zeigt sich sehr zufrieden. In rund 15 Tagen wird die Maschine die Arbeit erledigen, für die man sonst Wochen benötigt hätte.
Kunert: „Die Rückschnitte auf den Mittelstreifen machen wir einmal im Jahr.” Sie seien dazu angehalten, den Verkehrsfluss nicht zu unterbrechen. Deshalb gibt es Sperrzeiten, die von Autobahn zu Autobahn unterschiedlich sind. „Wir fangen nie vor 9 Uhr an”, nennt Kunert ein Beispiel. Dennoch klappe es nicht immer, Staus zu vermeiden. Besonders auch, weil die Leute immer gucken müssten, was los sei. „Wenn Leute zehn Kilometer im Stau stehen, reagieren sie schon mal ungehalten und werfen mit Äpfeln und allem, was sie gerade griffbereit haben”, so Kunert.
In der Autobahnmeisterei arbeiten 29 Straßenwärter, zwei Schlosser und zwei Magaziner. Sie kümmern sich in erster Linie um Unterhaltungsarbeiten wie Rückschnitt, Beschilderung, Entwässerung, Nebenanlagen oder Verkehrssicherung.