Oberhausen. Zum Weltgästeführertag 2010 finden am Sonntag im LVR-Industriemuseum um 12 und 13 Uhr kostenlose Führungen statt. Caroline Hafke und Thomas Schmitt sprachen vorab mit Michael Weier. Der 53-Jährige ist Vorsitzender des Vereins der Gästeführer im Ruhrgebiet (VGR).
Warum gibt’s den Verein und welche Aufgaben hat er?
Michael Weier: Gästeführer, das ist ein einsamer Job. In der Regel rennt jeder allein mit seinen Gästen durch Städte und Regionen. Uns geht es um den Erfahrungsaustausch untereinander und um einheitliche Qualitätsmerkmale. Wir wollen uns von den Wald- und Wiesenführern absetzen.
Wie definieren Sie Qualität?
Weier: Ein Gästeführer muss nicht nur sein Thema kennen, sondern auch didaktisch und rhetorisch geschult sein. Und er muss an die Zielgruppe denken: Es macht einen Unterschied, ob Sie Kinder, Senioren oder Fachleute vor sich haben.
Wie und wo werden Gästeführer ausgebildet?
Weier: Gästeführer ist in Deutschland kein Ausbildungsberuf, es gibt auch nicht wie in anderen europäischen Ländern die Möglichkeit, Gästeführer zu studieren. Die meisten sind selbstständig tätig. Stadtarchivare betätigen sich zum Beispiel nebenbei auf diesem Feld.
Woran erkennt man einen qualifizierten Gästeführer?
Weier: Gemeinsam mit der Industrie- und Handelskammer habe ich ein Zertifikat entwickelt. Es gibt auch ein ein europaweit gültiges Zertifikat. Die Kosten für diese Weiterbildungen werden in der Regel selbst getragen, in Ausnahmefällen gibt es staatliche Zuschüsse.
Ist Gästeführer ein Nebenjob oder ein Vollzeitjob?
Weier: Der Trend geht zum Fulltime-Job. Man muss aber ganz schön strampeln. Unser Geschäft ist saisonabhängig. Jetzt läuft nichts, von April bis Juli und im Herbst brummt es. Viele arbeiten im Winter auch in Ausstellungen und für Museen. Manche bieten Reisen an.
Was erwartet die Bürger am Weltgästeführertag?
Weier: Seit 1990 stellen Gästeführer weltweit ihre Arbeit vor. In Deutschland gibt es am Sonntag in vielen Städten kostenlos Programme und Führungen. Im Ruhrgebiet nehmen neben Oberhausen zum Beispiel noch die Städte Essen, Mülheim an der Ruhr, Herne, Witten, Unna, Gelsenkirchen und Dinslaken teil.
In Oberhausen findet der Auftakt für das bundesweite Programm statt. Wie kam es dazu?
Weier: Als im vergangenen März in Celle das Thema „Es riecht nach Arbeit“ festgelegt wurde, war mir sofort klar, dass muss ins Ruhrgebiet. Ich habe mich beim Bundesverband für Oberhausen eingesetzt.
Worauf dürfen sich Besucher nach dem offiziellen Teil freuen?
Weier: Wir bieten kostenlose Führungen durch die Ausstellung „Eisen und Stahl erzählen ihre Geschichte“ an. Außerdem die Kostümführung „Schwarzes Gold und Rote Glut“ vom Zentrum Altenberg zum Museums-Bahnsteig am Hauptbahnhof. Dabei werde ich als Steiger Jupp und Ingo Dämgen als Hüttenmeister Erwin unterwegs sein.
Apropos „Es riecht nach Arbeit“, wie wichtig sind Sinneseindrücke bei Ihren Veranstaltungen?
Weier: Sehr wichtig. Indem wir die Sinneskanäle aktivieren – nicht nur gucken und hören, sondern riechen, schmecken und anfassen – steigern wir den Lerneffekt. Gerüche wie Hydrauliköl oder Bohnerwachs wecken bei Älteren Erinnerungen, für Jüngere wirkt das Programm authentischer. Arbeit riecht heute anders als früher.
Welchen Einfluss hat Ruhr 2010 auf Ihre Arbeit?
Weier: Für viele ist die Kulturhauptstadt ein zusätzlicher Anreiz, sich zu qualifizieren. Natürlich erhoffen wir uns mehr Einsätze und mehr Umsätze. Aber die Wirtschaftskrise und die Fußball-WM im Sommer oder das überraschende Aus für den Musical-Standort Essen stehen dem entgegen.
Begleiten Sie nur Gruppen oder auch Einzelpersonen?
Weier: Allein der Kosten wegen sind es eher Gruppen. Durch das Centro haben wir zahlreiche Schulklassen aller Schulformen aus ganz Deutschland geführt. Die Neue Mitte wird in Schulbüchern als gelungenes Beispiel für den Strukturwandel aufgeführt.
Sie arbeiten eng mit der Tourismus und Marketing Oberhausen zusammen. Wie groß ist Ihr Team?
Weier: Regelmäßig zum Einsatz kommen fünf bis sieben Gästeführer. Wir wollen aber, im Hinblick auf Ruhr 2010, zwei bis drei neue hinzugewinnen, die über Fremdsprachenkenntnisse verfügen.
Was erwartet uns 2010?
Weier: Wir werden die Fackelführung an der Emscher weiterführen und im Herbst erneut Führungen durch die Kirchen anbieten. Außerdem starten wir Radtouren vor Ort und Bustouren in das Umland. Sie glauben gar nicht, was es nach einer halben Stunde Fahrt alles zu entdecken gibt