18 500 Stimmberechtigte sind am Sonntag, 7. Februar, zur Wahl des Oberhausener Integrationsrates aufgerufen. Mit dem amtierenden Vorsitzenden Yusuf Giraz und dem Geschäftsführer Ercan Telli sprach Redakteurin Rusen Tayfur über die Bedeutung des Integrationsrates.

Auch in Oberhausen wird am Sonntag der neue Integrationsrat gewählt. Wie groß ist das Interesse bei den Migranten überhaupt?

Telli: Die Briefwahl wurde bisher sehr gut angenommen. Bei der letzten Wahl lag sie bei 18,08 Prozent. Damit lagen wir landesweit an dritter Stelle. Darauf waren wir auch stolz.

Wie interessieren sie Einwanderer für die Wahlen?

Telli: Mit vielen Maßnahmen, die von uns zusammen mit der Stadt initiiert werden. Das sind keine Megaprojekte, sondern kleine, stadtteilorientierte Aktionen, die sich an den Bedürfnissen der dort lebenden Menschen orientieren. Wenn die Menschen unmittelbar profitieren, steigert das die Akzeptanz.

Seit wann gibt es Integrationsräte, warum wurden sie gegründet?

Giraz: Am Anfang war der Ausländerbeirat, das war in den 1970er Jahren. Da saßen von der Stadt und von Verbänden benannte Vertreter.

Telli: Man hat versucht, politische Ersatzmöglichkeiten zu schaffen für Menschen ohne Möglichkeit zur politischen Teilhabe. Oberhausen war damals Vorreiter mit einem der ersten Ausländerbeiräte. Dieses Gremium wurde dann Mitte der 90er optimiert. Seit dieser Legislaturperiode sind wir eine von wenigen Städten im Land, die politische Vertreter der Migranten mit den im Rat vertretenen Parteimitgliedern zusammenbringen.

Was heißt das für die Zusammensetzung des künftigen Integrationsrates?

Giraz: Dass 21 Mitglieder direkt gewählt werden und zehn Vertreter von den Parteien im Rat nach deren Stimmverhältnissen gestellt werden.

Telli: Die Erfahrungen in Oberhausen mit diesem Modell waren so gut, dass es in den Gesetzestext Eingang gefunden hat und alle Integrationsräte in NRW sich jetzt so zusammensetzen.

Spielt die Namensgebung eine Rolle? Erst hieß es Ausländer-, dann Migrations- und seit kurzem Integrationsrat...

Giraz: Irgendwann waren wir keine Ausländer mehr, sondern Migranten. Aber das Wort Integration gefällt mir nicht. Weil dahinter Assimilation steckt. Außerdem: Wie misst man Integration? Wer soll das entscheiden, ob und wie sehr einer integriert ist?

Telli: Ich bin mit der neuen Bezeichnung auch nicht glücklich. Es erweckt den Eindruck, als müsse sich nur der Integrationsrat um diese Belange kümmern – dabei ist Integration eine Querschnittsaufgabe.

Vier Listen stehen zur Wahl: United Africa for Oberhausen, Internationale Linke Liste Oberhausen, Demokratische Immigranten-Liste und Internationale/Türkisch-muslimische Liste. Kann man eigentlich verhindern, dass politisch extrem oder religiös fundamentalistisch Eingestellte zugelassen werden?

Giraz: Es gibt kein Kontrollorgan, man kann solche Leute nicht ausschließen.

Telli: Die Wählbarkeit der Kandidaten wird aber vom Wahlamt vorher überprüft. Außerdem haben die Listen kein Interesse daran, Leute aufzustellen, die stadtbekannt sind für eine extreme Gesinnung. Ich denke, inzwischen sind wir soweit, dass es allen um Oberhausener Themen geht. Weder Heimatpolitik, noch Europapolitik hat hier etwas zu suchen.

Der Migrationsrat ist nur beratendes Gremium, er hat keine wirkliche politische Handhabe. Was haben Sie in dieser Legislaturperiode bewirken können, obwohl Sie „zahnlos” waren?

Telli: Unser größter Erfolg ist, dass es uns zusammen mit anderen Beteiligten gelungen ist, Integration zum Top-Thema zu machen. Sie wird in Oberhausen als wichtige Zukunftsaufgabe gesehen. Das sieht man am Integrationskonzept. Und wir haben Strukturen initiiert, die unumkehrbar sind. Zum Beispiel im Kulturbereich. Als Antwort auf den demografischen Wandel wird dort die Förderpraxis geändert. Das heißt, alle müssen erklären, was sie im interkulturellen Bereich tun.

Giraz: Wir haben auch erreicht, dass in allen städtischen Ausschreibungen steht, dass Bewerber mit Migrationshintergrund bei gleicher Qualifikation bevorzugt behandelt werden.

Pro NRW plant in der Nachbarstadt Duisburg einen großen Aufmarsch. War Rechtsextremismus auch in Ihrer Arbeit ein Thema?

Telli: Ja, absolut. Vor zwei Jahren haben wir mit der Fachhochschule Düsseldorf den Oberhausener Ortsableger von Pro Köln untersucht und die Ergebnisse in einer gemeinsamen Expertise veröffentlicht. Durch diese Offenlegung der Strukturen haben wir dafür gesorgt, dass diese Leute hier nicht mehr aktiv sind.

Welche Aufgaben müsste der künftige Integrationsrat anpacken?

Giraz: Das Integrationskonzept muss weiterentwickelt und vernünftig umgesetzt werden. Das ganze Thema muss Chefsache werden. Es darf nicht nur als Aufgabe des Integrationsrates gesehen werden.

Telli: Weil es nämlich kein Konzept für Migranten ist, sondern für alle Oberhausener.

Haben Sie auch finanzielle Forderungen?

Telli: Wir wissen, wie es um die Finanzen der Stadt steht. Uns geht es darum, das vorhandene Geld anders auszugeben. Bei heute schon 33 000 Menschen mit Migrationshintergrund müssen sich alle den Herausforderungen des demografischen Wandels stellen. Es geht also im Grunde um eine gerechte Ressourcenverteilung.

Müsste nicht eigentlich ihr Ziel sein, dass alle Migranten sich einbürgern lassen – um sich aktiv an der Politik beteiligen zu können?

Telli: Unsere Forderung nach einem Wahlrecht für alle, auch für nicht-Deutsche und für Nicht-EU-Mitglieder, bleibt bestehen.

Giraz: Wir fordern, dass unter bestimmten Umständen alle wählen dürfen. Obwohl wir unser Gremium damit überflüssig machen würden.