Gisela Klatt und Petra Korte machten sich selbstständig, weil ihre 400-Euro-Jobs sie nicht mehr ausfüllten.

„Hach, in den hier hab' ich mich richtig verliebt!” Martha Seckel, eine alte Dame mit grauem glatten Haar und hagerem Gesicht, schaut sich das Bild des kleinen Blaufinken immer wieder an. Es ist der Nachmittag der Wintervögel in der Sozialstation der Diakonie an der Diekerstraße. „Lavida” hat zum Geschichten hören, basteln, raten und Kaffee trinken eingeladen. Vor anderthalb Jahren haben sich Gisela Klatt (49) und Petra Korte (46) als Seniorenbetreuer selbstständig gemacht. Auch, weil sie unzufrieden waren.

„Wir haben beide als 400-Euro-Kräfte gearbeitet und fühlten uns damit nicht mehr ausgelastet, haben eine neue Herausforderung gesucht”, sagt Petra Korte. Ein halbes Jahr „sponnen” sie und ihre langjährige Freundin Gisela herum, dann war die Idee für Lavida geboren. Eine Betreuung für Senioren sollte es sein, aber besser. Nicht nur Vorlesen oder mal einen Bingo-Abend machen, etwas mit rotem Faden, Konzeption.

Und so läuft auch der Nachmittag in der Sozialstation. Nach einer Geschichte über den ehegebeutelten Spatz Herrn Lups füllen die Teilnehmerinnen (es sind ausschließlich Frauen) Kokosnussschalen mit Fettfutter. Bei den Sprichwörtern über Vögel sind alle fit: „Eine Schwalbe... Macht noch keinen Sommer!”, schallt es durch den Raum. Dann werden Vögel von Bildern geraten, Anni de Longueville weiß über jeden Bescheid: „Das ist eine Kohlmeise, ganz klar.” Beim Kaffeetrinken erzählt Christa Wieland, wie für sie Weihnachten war, während Berta Slotta schon beim Körner-Rätsel angelangt ist.

Über einen Fernkurs ließen sich Korte und Klatt zu zertifizierten Seniorenbetreuern ausbilden. Eine recht neue Tätigkeit und „es lief am Anfang schon sehr schleppend an”, so Korte. „Diese Generation ist nicht gewohnt, für sich selbst Geld auszugeben.” Zunächst konnten sie ihre Dienste jenseits von Pflege und Hauswirtschaft auch nicht anderweitig abrechnen, doch mit Hartnäckigkeit und einem Anruf im Gesundheitsministerium erreichten sie eine Einzelfallregelung. Seither können ihre Kunden mit „eingeschränkter Alterskompetenz” die Übernahme der Kosten durch die Krankenkasse prüfen lassen. Bei Bedürftigen bezahlt gegebenenfalls die Stadt.

Seither betreut Lavida sowohl Einzelpersonen als auch Gruppen. „Wir versuchen, die Leute vor die Tür zu locken”, sagt Korte. Doch das sei gar nicht so einfach, gerade bei fremden Örtlichkeiten sei die Hemmschwelle groß. „Hilfe zur Selbsthilfe” soll ihr Angebot sein, miteinander ins Gespräch kommen, Kontakte knüpfen das Ziel. Korte erinnert sich an eine Frau, die vier Jahre in einer Altenwohnung wohnte und nicht einen ihrer Nachbarn kannte.

Die Frauen in der Sozialstation kennen sich dagegen schon länger, immer wieder kommen sie zu den Nachmittagen. „Das ist mal was anderes, als immer zu Hause zu hocken”, sagt Anni de Longueville. Zwei sind heute neu dabei, und mit ihnen werden Korte und Klatt noch intensiv über ihre familiäre Situation, ihr Leben reden. „Biografiearbeit” heißt das und weil Gespräche so wichtig sind, „halten wir die Gruppenstunden immer zu zweit ab”, so Korte.

Ihre Arbeitsmaterialien erstellen die beiden Seniorenbetreuerinnen meist selbst am heimischen PC. Vorhandenes ist oft nicht geeignet, etwa weil die Schrift zu klein ist. „Wir suchen Sachen, die für jeden machbar sind”, sagt Korte. Immer wieder fällt den beiden auf, wie groß das Loch ist, das in der Versorgung von Senioren klafft. Für die selbstständigen Frauen ein Ansporn: „Je mehr wir die Mankos sehen, desto motivierter sind wir.”