Nie auf der Couch gelegen: Dorothea Schlegel kann selbst kaum glauben, dass sie seit Donnerstag 100 Jahre alt ist. „Früher dachte ich, ich werde keine 70”, verrät sie, „und jetzt bin ich schon 30 Jahre drüber!”

„Ja, seh' ich denn schon wie eine 100-Jährige aus?” Dorothea Schlegel, geboren am 28. Januar 1910 in Bermensfeld, fragt so etwas nicht, um Komplimente zu fischen. Vielmehr gewinnt, wer diese lebenslustige Seniorin kennenlernt, den Eindruck, dass sie ihr hohes Alter selbst kaum glaubt: „Früher dachte ich, ich werde keine 70”, verrät sie, „und jetzt bin ich schon 30 Jahre drüber!” Ob das wohl mit dem Kaffee zusammenhängt? Den trinkt die Dame, die heute 100 Jahre alt wird, grundsätzlich schwarz. „Was meinen Sie denn, warum ich so schön bin?” Kaffee serviert sie ihren Gästen auf Wunsch mit Milch und besteht daruf, das selbst zu tun. Überhaupt – und das ist wahrscheinlich ihr Lange-Lebenskonzept: Was Dorothea Schlegel noch kann, das macht sie auch, zum Beispiel kochen. Essen auf Rädern schmecke nicht. Ein weiterer Jungbrunnen: „Ich habe immer gearbeitet, nie auf der Couch gelegen.”

Hat sie schon einmal darüber nachgedacht, ins Seniorenheim zu ziehen? Klare Absage: „Solange ich noch meine Sinne habe, will ich da nicht rein. Zu Haus ist zu Haus!” Ihre Tochter, Annemarie Schlegel, kann und will dagegen nichts tun. „Vor zwei Jahren hab' ich mich mal umgehört, da hat sie 14 Tage nicht mehr mit mir gesprochen.”

Annemarie Schlegel wohnt seit 1960 in den Vereinigten Staaten und ist schon lange Amerikanerin, was man am leichten Akzent hört. „Aber die Muttersprache kann man nicht verlieren”, ist ihre Mutter überzeugt. Oft hat sie ihre Tochter in den Staaten besucht, sich zuletzt die Eigentumswohnung in New York, angesehen. „Dort ist es nur nachts schön”, so ihr Urteil. Doch ansonsten, erzählt sie, habe sie die Reisen mit ihrer Tochter sehr genossen. „Wir haben in den besten Hotels gewohnt.”

Seit 2001, als ihre Mutter in die altengerechte Wohnung auf der Friedrich-Karl-Straße zog, verbringt Annemarie Schlegel jedes Jahr mehrere Monate in der alten Heimat Oberhausen, die sie als junge Frau verließ, um nach Schottland, England, Kanada und in die USA zu gehen. „Ich hatte mir meinen Ruhestand auch anders vorgestellt”, gibt sie zu und dass sie trotzdem für ihre Mutter gern etwas tut. Die habe schließlich früher für sie und ihre Schwester alles gegeben, nachdem Heinz Schlegel, der Vater, 1941/42 in Russland gefallen war. „Wir haben nie gemerkt, dass wir arm waren.” Schon wissen, was sie bezahlen muss, bevor sie an der Kasse steht – könnte Dorothea Schlegel, die im Fernsehen am liebsten Talkshows sieht, heute noch. Sie spielt Rommé und trifft sich gern mit anderen zum Kaffeekränzchen.