Stadtbibliothek und VHS werden während der durch den Umbau des Bert-Brecht-Hauses bedingten, ca. neunmonatigen Schließung ihrer Zentrale ein Kunden-Center in unmittelbarer Nachbarschaft einrichten.
Voraussichtlich im Parterre der Immobilie an der Ecke Helmholtz-/Goebenstraße unmittelbar neben der Geschäftsstelle der WAZ.
Dies ist das Kernstück des Ersatzangebotes, dass die Beeinträchtigung der Bibliotheksnutzer - um die geht es vor allem - für die Zeit der Schließung mindern soll. In diesem Kunden-Center, auch andere, 150 bis 200 qm große Räumlichkeiten in der Nähe des Bert–Brecht-Hauses sind denkbar, sollen Zeitschriften bereit gehalten werden. Außerdem werde man Bücher und Medien bestellen können, die aus den Beständen der Zweigstellen oder der Bibliotheken benachbarter Städte binnen zwei Tagen bereitgestellt werden sollen. Damit sei das verfügbare Angebot sogar weitaus größer als das der derzeitigen Bibliothekszentrale, so Bibliotheksdirektor Dr. Ronald Schneider gestern im Kulturausschuss.
Mit den Eigentümer der Innenstadt-Immobilien werde derzeit verhandelt, so Apostolos Tsalastras, man werde die preiswerteste und geeigneteste Lösung wählen.
Der Kulturdezernent machte allerdings auch klar, dass er über die Gesamtkosten für das Ersatzangebot in Höhe von 75 000 Euro nicht hinauszugehen beabsichtigt. Jeder weitere Euro gehe von den Umbaukosten ab, die neue Gestaltung des Bert-Brecht-Hauses würde noch unter ein Mindestmaß schrumpfen, wenn man Forderungen erfülle, die in den letzten Wochen erhoben wurden.
In dem finanziellen Rahmen ist auch eine Ausweitung der Öffnungszeiten berücksichtigt wie die ausfallen soll, konnten Tsalastras und Ronald Schneider auch auf bohrende Nachfrage der CDU gestern noch nicht sagen. Täglich beinahe gebe es neue Planungen, neue Zeitrahmen für die Umgestaltung von Bert-Brecht-Haus und Saporoshje-Platz. Erst wenn es einen zuverlässigen Zeitplan gebe, könne man auch die Öffnungszeiten in den Zweigstellen genau fixieren.
Auch die ohnehin schon „offenen” Schulbibliotheken wie die des Bertha-von-Suttner-Gymnasiums sollen für nicht mehr „schulpflichtige” Leseratten noch stärker zugänglich gemacht werden, im Bertha etwa ist ein zusätzlicher Nachmittag anvisiert, Der Sprecher der Linken, Imlau, regte eine Samstagsöffnung für Berufstätige an. Ein Vorschlag, den man gerne prüfen werde, so der Dezernent und sein Bibliothekschef. Das für die Ersatzangebote benötigte Personal komme aus der Zentralbibliothek, die während der Umbauphase ihre komplettes Team nicht zwingend selbst brauche.
Nach verrauchtem Pulverdampf konnte Apostolos Tsalastras die innere Struktur des neuen Bert-Brecht-Hauses vorstellen. Geschickt umging der Fachdezernent dabei den verlagerten Informationsbereich, der künftig ohne Personal auskommen soll. Dieses dem Vernehmen nach von OGM entwickelte Konzept hätte die Opposition gewiss wohl erneut auf die Palme gebracht.
Kommentar: Nicht weiter zündeln
Nein, eine Ideallösung ist das Ersatzspiel für die Stadtbibliothek keinesfalls, wenn die Zentrale wegen des Umbaus des Bert-Brecht-Hauses geschlossen werden muss. Es ist eine Notlösung, immerhin aber der politisch vor allem von der Opposition erzwungene Versuch, aus der Not so halbwegs eine Tugend zu machen.
Wer mehr fordert, ein in etwa adäquates Angebot zum bisherigen, wird entweder von fundamentaloppositionellen Gründen getrieben. Oder er handelt in purem Aktionismus. Beides ist von Realitätssinn ebenso wenig getrübt wie vom Blick in die Zukunft vor allem der Stadtbibliothek. Jeder Euro mehr für die Interimslösung schmälert den Umbau, dessen Budget ohnehin kaum geeignet scheint, das Bert-Brecht-Haus schon für die Zwanziger Jahre des dritten Jahrtausends aufzuhübschen.
Das gestrige Geplänkel im Kulturausschuss erweckte den Eindruck, als wolle die CDU nach dem Volltreffer in der letzten Sitzung, der die Fachverwaltung in freier Wildbahn erwischte, nachladen zum Gnadenschuss. Daraus wurde nur noch ein Rohrkrepierer. Klaus Dieter Bross hätte wissen müssen, dass er sein Pulver gut verschossen hatte, als er vor einigen Wochen das versäumte Ersatzangebot anmahnte. Jetzt sollte er im Sinne einer notwendigen Verbesserung bei VHS und Bibliothek den Zünder entschärfen.