Gerburg Jahnke findet wunderbare Worte zum Ambulanten Hospiz bei der 111-Freunde-Gala des Lions Clubs Oberhausen. Ulrich Reitz, Chefredakteur der WAZ und von DerWesten, servierte eine politische Bestandsaufnahme der Berliner Koalition vier Monate nach der Bundestagswahl.

Dass Hospize überflüssig sind und die Erkenntnis eine Selbstverständlichkeit ist, dass der Tod zum Leben gehört, es ist die Vision für eine menschennahe Zukunft, die Gerburg Jahnke zum Ende ihrer Würdigung des Ambulanten Hospizes Oberhausen entwerfen wird. Und es ist der zutiefst berührende Höhepunkt einer Benefizgala, zu der der Lions Club Oberhausen 111 Freunde in der Sterkrader Erlebniskirche St. Bernardus zusammengebracht hat und die um die 14 000 Euro einbringen wird für ebendieses Ambulante Hospiz.

111 Freund zahlen je 111 Euro für ein außergewöhnliches Vier-Gänge-Menue, für eine politische Bestandsaufnahme der Berliner Koalition vier Monate nach der Bundestagswahl durch WAZ- und DerWesten-Chefredakteur Ulrich Reitz, für eine bei Lions-Veranstaltungen sicherlich nicht typische, zauberhaft lockere Moderation von WDR-Redakteurin Steffi Neu, für vokale wie instrumentale musikalische Begleitung durch den Abend und ein Finale mit ein paar Kostbarkeiten aus der Schlager-Schatzkammer des Oberhausener Schauspielensembles.

Der Abend war ausverkauft bevor Stefan Opgen-Rhein wusste, was er auftischen wird mit seiner vielköpfigen Brigade. Und er ist kaum eine halbe Stunde alt, da macht ein niederrheinisches, katholisches Landmädchen dem eher steifen Stehempfang zum Entree ein jähes Ende. Steffi Neu habe in eine Familie hineingeheiratet, wo der Schwiegervater alle zwei Wochen zu seinen Lions-Jungs geht und wo sie der Schwiegermutter sagt, dass sie es sich nicht gefallen lassen darf, wenn sie die Schnittchen schmieren muss für den Ehemann und seine Lionsfreunde, die am Kamin sitzen und reden.

Und als dann, zwischen der 1. und 2. Vorspeise, Gerburg Jahnke die Gäste mit liebe Lionessen, liebe Lions begrüßt, da hat man das Gefühl, als öffnen sich wie von unsichtbaren Händen geführt mindestens 50 Kragenknöpfe unter den dunklen Anzug-Jacketts. Nein sagt die Kabarettistin, Regisseurin und Schauspielerin, sie habe keine Witze zu Ambulanten Hospizen gefunden im Internet und auch sonst nirgends. Hospize, das seien früher Herbergen am Wege gewesen und im besten Falle seien Kirchen heute auch solche Räume, spannte Gerburg Jahnke einen Bogen zum Veranstaltungsort. Gastlichkeit, Geborgenheit, nicht dem Leben mehr Tage, sondern den Tagen mehr Leben geben, die Künstlerin skizzierte einfühlsam die Zielsetzung der Hospize: „Begleiten ist das Zauberwort, Zuneigung und Respekt sind die Voraussetzungen.” Die oft ehrenamtlichen Mitarbeiter in den Hospizen hätten ein „Staatsexamen in Mitmenschlichkeit”. Man hört nicht einen Atemhauch, als Gerburg Jahnke die Unabdingbarkeit des Todes als festen Bestandteil des Lebens in ein wunderbares Bild fügt, das Warten auf den Tod gleichsetzt mit dem Warten auf die Geburt neuen Lebens.

Bei der amerikanische Versteigerung dreier toller Preise muss Gerburg Jahnke, bis sie den originellsten, Stefan Opgen Rhein als Koch bei ihr zuhause, gewonnen hat, viel Geld (fürs Ambulante Hospiz) investieren und Steffi Neu angesichts der vielen Bieter mühsam den Überblick behalten.

Riesenapplaus für den Küchenchef und sein Team – und für das kulturelle nach dem kulinarischen Dessert. Nora Buzalka, Torsten Bauer, Klaus Zwick und Otto Beatus kamen nicht ohne Zugabe zum Essen, Annika Meier sang gar eine verführerische Hymne an die 111 Freunde. Toller Abend.


Noch nie war es so unübersichtlich

Auch Ulrich Reitz würdigt zunächst die soziale Arbeit der Gastgeber und nennt da zuvorderst ein Projekt des Lions Clubs mit der Hauptschule Eisenheim gegen Gewalt an Schulen, „eine der größten Aufgaben von Politik und Gesellschaft”. Ehrenamt und Ehrenamtler seien Kristallisationspunkte der Gesellschaft, ihr Engagement sei nicht selbstlos, sondern selbstbewusst. Ehrenamtler lebten, verweist der WAZ-Chefredakteur auf entsprechende Studien, glücklicher als andere Menschen.

WAZ-Chefredakteur Ulrich Reitz (rechts) im Gespräch mit Oberbürgermeister Klaus Wehling. Foto: Gerd Wallhorn
WAZ-Chefredakteur Ulrich Reitz (rechts) im Gespräch mit Oberbürgermeister Klaus Wehling. Foto: Gerd Wallhorn © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool





Soviel christliches Gedankengut vermag Ulrich Reitz vor dem Hauptgang in der schwarz-gelben Regierungsarbeit der ersten vier Koalitionsmonate nicht zu entdecken. Zunächst einmal setzt er sich mit den vermeintlichen Ursachen der Finanzkrise auseinander, die weder im Versagen des Systems noch in Gier begründet lägen. Ebenso unzutreffend sei der Ruf nach dem starken Staat, den man jetzt brauche: „Gecrasht sind vor allem Staatsbanken”. Reitz verweist auf Obama, der am gleichen Tag gesagt hat, dass der Steuerzahler nie wieder Geisel sein dürfe einer Bank, die zu groß ist, in die Pleite zu gehen. Dies sei der entscheidende Punkt. Reitz sieht da weder eine globale noch eine europäische Einigungschance, daher müsse man wohl einen nationalen Weg gehen.

Mit Blick auf Berlin spricht Reitz von einer berechtigten Enttäuschung über die bisherige Arbeit der CDU/FDP-Koalition, dies sei immerhin die Wunschkoalition von Angela Merkel gewesen. Eine große Steuerreform sieht Reitz nicht, dafür spreche, dass man schon beim Wachstumsbeschleunigungsgesetz die Zustimmung einiger Ministerpräsidenten habe erkaufen müssen Atompolitik ungeklärt, Gesundheitswesen ungeklärt, wie „wir die da unten mitkriegen, ungeklärt”, Reitz wirft der Regierung ein „Zielgruppenhopping” vor, nennt die Politik „dramatisch unterphilosophiert”, die beiden großen Volksparteien seien es auch.

Der Journalist appelliert daran, über den konservativen Ansatz zu reden, natürlich seien Gymnasien konservativ, das Interesse an Bildung aber doch nicht falsch. Die Mutterrolle, die Eingliederung statt des Zulassens von Parallelgesellschaften aus pseudotoleranten Erwägungen, der Schutz des ungeborenen Lebens, der Heimatgedanke, das Bodenständige, nur einige der Themen, die Reitz anreißt. Und die Landtagswahl: Da wagt der WAZ-Chefredakteuer keine sichere Prognose: „So unübersichtlich war es noch nie.”