Oberhausen. Europawahl 2024: Bürgerinnen und Bürger in Oberhausen-Alstaden nutzen ihr Stimmrecht. Was sind ihre Beweggründe, Hoffnungen und Ängste?

Sonntagmittag, 13 Uhr. Sonnenschein und ein mildes Lüftchen. Vor der Bismarckschule in Alstaden betreten gut gelaunte Menschen den Schulhof, zumeist paarweise, mit dem Fahrrad, mit Kindern an der Hand oder Hund an der Leine. „Ach, Hallöchen!“ Man winkt sich zu, man plaudert, an der Tischtennisplatte am Eingang oder angelehnt an den Rollator. Doch was hat diese jugendlichen Erstwähler, diese Rentner, Eltern, Ehepaare dazu gebracht, ihr Stimmrecht für die künftige Zusammensetzung des EU-Parlaments am heutigen 9. Juni 2024 wahrzunehmen? Was sind ihre Hoffnungen, was ihre Befürchtungen für die Politik von morgen? Wir haben einige von ihnen gefragt.

Jonas Meininghaus, 16: „Ich habe gerade zum ersten Mal gewählt und ich fand es super. Es ist ein Privileg, sich für das einzusetzen, woran man glaubt. Man kann nicht immer nur Demokratie predigen und dann nichts dafür tun. Mir ist die EU wichtig, das freie Reisen und Handeln. Neulich habe ich etwas in England bestellt und musste dann 150 Euro für die Klamotten und 90 Euro für den Zoll zahlen. Bei mir an der Schule am Bertha-von-Suttner-Gymnasium, in unserer Demokratie-AG und im Freundeskreis habe ich schon mitbekommen, dass alle wählen gehen wollen. Viele sagen, dass ihnen alles zu links geworden ist, dass LGBTQ zu sehr im Mittelpunkt steht.“

„Hauptsache demokratisch“: Oliver Meininghaus (l.) mit Sohn Jonas bei der  Europawahl am 9. Juni 2024 in Oberhausen.
„Hauptsache demokratisch“: Oliver Meininghaus (l.) mit Sohn Jonas bei der Europawahl am 9. Juni 2024 in Oberhausen. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Oliver Meininghaus, 51: „Politische Bildung ist uns bei der Erziehung unserer Kinder wichtig, Worauf wir besonderen Wert gelegt haben, ist Demokratie. Sie sollen eine Meinung entwickeln können, die auf dem Fundament der demokratischen Parteien steht. Wir geben ihnen keine Wahlempfehlung, aber wir sagen: Macht euch Gedanken. Und wir beschäftigen uns auch mit dem, was die Kinder interessiert.“

Marie-Luise Raudszus, 70: „Wir müssen zusammenhalten in Europa. Europa muss sich einig sein, nur dann können wir stark sein. Die einzelnen Länder sind doch aufeinander angewiesen. In der Politik geht mir das ganze Gerödel auf die Nerven, dieses Gemecker und Gestreite.“

„Wählen ist Pflicht“: Hans-Günter und Marie-Luise Raudszus bei der EU-Wahl am 9. Juni 2024 in Oberhausen.
„Wählen ist Pflicht“: Hans-Günter und Marie-Luise Raudszus bei der EU-Wahl am 9. Juni 2024 in Oberhausen. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Hans-Günter Raudszus, 76: „Ich betrachte es als meine Pflicht, zur Wahl zu gehen. Pflichten können auch lästig sein, aber diese ist es mir nicht. Meine Kritik am Wahlkampf in Deutschland wäre, dass man die etablierten Parteien nicht mehr voneinander unterscheiden kann. Es fehlen auch die markanten Gesichter. Ohne Europa wäre Deutschland ganz schlecht dran.“

Andrea Wagner, 60: „Wählen gehen ist Pflicht. Besonders, solange es noch Länder gibt, in denen man um das Wahlrecht kämpfen muss. Ich fühle mich als Europäerin. Ich genieße es, ohne Passkontrollen reisen zu können und in so vielen Ländern mit dem Euro bezahlen zu können. Europa hat nicht nur Vorteile, das Lieferkettengesetz zum Beispiel. Aber trotzdem sage ich Ja zur EU.“

Mats Bögeholz, 20: „Ich bin mir nicht sicher, ob es richtig war, das Wahlalter auf 16 abzusenken. Wenn ich mir die 16- und 17-Jährigen angucke, die ich kenne... Ich war damals auch noch nicht so weit. Ich glaube, sie wissen nicht, welche Auswirkungen so eine Wahl hat. Es könnte sein, dass sie einfach das wählen, was sie für witzig halten und dann ist das die AfD. Man kann sich ja auf witzige Weise mit Politik beschäftigen. Ich finde es gut, wie die Partei das macht. Aber die klären auch immer auf.“

Mats Bögeholz bei der Europawahl am 9. Juni 2024 in Oberhausen.
Mats Bögeholz bei der Europawahl am 9. Juni 2024 in Oberhausen. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Sayat Asigigan, 23: „Eine Stimme, eine Chance. Das habe ich auch meinem jüngeren Bruder Sevan gesagt, der zum ersten Mal wählen darf. Er dachte erst, das ist doch nicht so wichtig, ist doch nur Europawahl. Aber es ist wichtig, eine politische Gemeinschaft zu haben. Das sieht man, wenn man in die Vergangenheit guckt, aber auch in die Gegenwart mit den Konflikten.“

Die Brüder Sevan (l.) und Sayat Asigigan gaben ihre Stimme zur Europawahl am 9. Juni 2024 in der Bismarckschule in Oberhausen ab.
Die Brüder Sevan (l.) und Sayat Asigigan gaben ihre Stimme zur Europawahl am 9. Juni 2024 in der Bismarckschule in Oberhausen ab. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Sevgi Asigigan, 55: „Wir leben hier in Deutschland, wir sind Deutsche, das ist unser Land. Auch, wenn wir einen Migrationshintergrund haben. Natürlich gehen wir wählen, für eine bessere Zukunft für uns und unsere Kinder. Wir müssen auch als Europäer handeln.“

Wählen gegen den Rassismus: Nubar (l.) und Sevgi Asigigan mit den Stimmzetteln für die EU-Wahl am 9. Juni 2024 in Oberhausen.
Wählen gegen den Rassismus: Nubar (l.) und Sevgi Asigigan mit den Stimmzetteln für die EU-Wahl am 9. Juni 2024 in Oberhausen. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Nubar Asigigan, 55: „Als deutscher Staatsbürger gehe ich wählen, weil ich nicht möchte, dass der Rassismus sich in Europa verbreitet. Die EU ist wichtig, es werden so viele Entscheidungen dort getroffen. Wir wählen aber nicht nach Aussehen, sondern nach Ideen. Nur, weil jemand auch aus der Türkei stammt wie wir, wählen wir ihn nicht, wenn er nicht demokratische Werte vertritt.“

Gegen Rechtspopulisten: Darius Behle aus Oberhausen bei der EU-Wahl am 9. Juni 2024.
Gegen Rechtspopulisten: Darius Behle aus Oberhausen bei der EU-Wahl am 9. Juni 2024. © Redaktion

Darius Behle, 29: „Klar gehe ich wählen, ich lebe ja in Europa. Ich gehe zu jeder Wahl und zwar gerne. Man geht raus, um sich an der Politik zu beteiligen, das ist ein gutes Gefühl. Das Wichtigste ist für mich, dass die rechtspopulistischen Stimmen nicht stärker werden. Deshalb würde ich auch nie jemanden wählen, der den Einfluss der EU mindern will. Das widerspricht sich doch.“