Oberhausen. Franz Müntefering (SPD) in Oberhausen: Als „Münte“ ist er zahlreichen Menschen in ganz Deutschland noch gut bekannt. Das sagte er in Sterkrade.

Franz Müntefering ist ein politisches Urgestein: Er war Vize-Kanzler und damit Stellvertreter von Angela Merkel; er war SPD-Bundesparteichef; er war Fraktionschef im Bundestag; er war Minister sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene. Am Mittwochabend, 8. Mai, war der mittlerweile 84-Jährige bei der SPD in Oberhausen zu Gast und nutzte seinen Auftritt für einen eindringlichen Appell: „Raus aus dem Schaukelstuhl! Engagiert euch für die Demokratie!“

Rund 70 Zuhörerinnen und Zuhörer kamen auf Einladung von drei SPD-Ortsvereinen und der AG 60plus in den Saal des Seniorenzentrums „Gute Hoffnung“ in Sterkrade, um „Münte“ an der Seite von Europaparlamentarier Jens Geier live zu erleben. Der ehemalige Spitzenpolitiker präsentierte sich mit viel Power, das rollene „R“ ist immer noch fester Rhetorik-Bestandteil des gebürtigen Sauerländers. Und seine direkte und schnörkellose Form der Ansprache, die ihm immer schon viele Sympathien bescherte, hat Müntefering ebenfalls beibehalten.

„Es kommt darauf an, dass wir etwas tun für die Demokratie!“

Es war eindrucksvoller Auftritt: Müntefering tauchte direkt ein in die deutsche Nachkriegs-Ära, erzählte aus einer Zeit „gefallener Väter und Söhne“ und erinnerte an die Arbeit des Parlamentarischen Rates, der das Grundgesetz entwarf; und er verband diese Hinweise mit einem klaren Appell an die Verantwortlichkeit jedes Bürgers und jeder Bürgerin: „Es kommt darauf an, dass wir etwas tun für die Demokratie!“

Mit Blick auf die jüngsten Attacken auf Politikerinnen und Politiker im Wahlkampf in Essen, Dresden und Berlin sagte der prominente Sozialdemokrat: „Diese Gewaltakte bedrohen unsere Demokratie!“ Der 84-Jährige trat für eine gesellschaftliche Kultur des Miteinanders ein: „Wir müssen dafür sorgen, dass die Leute wieder miteinander reden können.“ Hier seien auch die demokratischen Parteien in der Pflicht, Gesprächsangebote bis hin zum guten alten Stammtisch zu machen. Die Würde des Menschen, wie sie im Grundgesetz gleich zu Beginn als unantastbar genannt werde, müsse die Messlatte sein, an der sich alles Handeln orientiere.

Pflicht zu seriöser Information: Nur so könne die Debatte gelingen

Der Debattenabend streifte viele Themenfelder. In der jungen Generation dürfe es niemanden ohne Schulabschluss geben, forderte Franz Müntefering, weil nur durch Bildung und Beruf ein eigenständiges Leben und ein aktives Mitgestalten der Gesellschaft möglich sei. Der Gedanke der europäischen Einigung dürfe nicht zur Seite gelegt oder unwidersprochen von rechten Populisten diskreditiert werden, auch hier sei ein klares politisches Handeln und Entgegentreten nötig, um Europa und die Europäische Union zu stärken. Jeder habe zudem die Pflicht, sich in seriösen Medien zu informieren, um kompetent mitdiskutieren zu können und um sich auf diese Weise eine wirklich fundierte Meinung zu gesellschaftlichen und politischen Themen bilden zu können. Hier komme in Zeiten der sozialen Medien eine riesige Herausforderung auf die Gesellschaft zu.

„Münte“ präsentierte sich in Sterkrade weniger als Parteipolitiker, vielmehr als ein überzeugter und überzeugender Mr. Demokratie, der das Ende des Zweiten Weltkriegs als Kind noch miterlebt hat; und der somit weiß, was derzeit auf dem Spiel steht.