Oberhausen. Im Neubaugebiet Biefangstraße befürchtet die Emschergenossenschaft Überschwemmungsgefahr. Im Oberhausener Rathaus tut man dies als Irrtum ab.
Zwei Mehrfamilienhäuser mit je etwa sieben Wohnungen, dazu vier Eigenheim-Doppelhaushälften und drei Reihenhäuser können an der Biefangstraße in Oberhausen-Sterkrade gebaut werden, wenn der Stadtrat Mitte Mai grünes Licht für den „Bebauungsplan Nr. 755 in Sterkrade-Schwarze Heide“ gibt. Allerdings hat die Sache einen Haken: Das Gebiet ist hochwassergefährdet. Das Rathaus liegt darüber aber mit der Emschergenossenschaft in Essen über Kreuz.
Eine ehemalige Tankstelle, ein Dachdeckerbetrieb und ein Baustoffhandel befinden sich zurzeit auf dem 3500 Quadratmeter großen Gelände. Investor ist die Diva-GmbH aus Erftstadt, die Eigenheime schlüsselfertig baut.
Neuer Fußweg zur Grundschule Schwarze Heide
Nach ihrer Bauprojekt-Idee ist der Bebauungsplan entworfen worden. Das ist eine große Karte, auf der alles Wichtige eingezeichnet und beschrieben ist. Er sieht eine Zufahrtsstraße mit Wendehammer von der Biefangstraße aus vor. Rechts davon sind die beiden Mehrfamilienhäuser geplant, je dreigeschossig plus verkleinertes Aufsetzgeschoss, links die Doppelhaushälften und dahinter die drei Reihenhäuser. Über das Neubaugebiet, das einen privaten Spielplatz erhält, können Fußgängerinnen und Fußgänger künftig zur Grundschule Schwarze Heide gelangen, die dahinter liegt.
Das neue Wohngebiet liegt an einer viel befahrenen Straße - und der Betuwe
Als bei der Bürgeranhörung im August 2022 gefragt wurde, wie man denn überhaupt in Zeiten des Klimawandels noch Eigenheime neu bauen könne, wo diese doch bekanntlich besonders viel Energie und Fläche pro Bewohner verbrauchen würden, beschwichtigten die Fachleute: Immerhin sei die klimaschädlichste Gebäudeart, das freistehende Einfamilienhaus, nicht vorgesehen.
Allerdings dürfte das Gelände für Einfamilienhäuser auch nicht hochwertig genug sein. Denn die zulässigen Lärmgrenzen von 30 Dezibel(A) in den Schlafräumen und von 35 dB(A) in den Wohnräumen können wegen der stark befahrenen Biefangstraße und der Betuwe-Eisenbahnstrecke in der Nähe voraussichtlich nur durch künstliche Belüftung dieser Räume bei geschlossenen Fenstern eingehalten werden. Das ist ausdrücklich so vorgesehen.
Pluspunkte für den Klimaschutz
Für den Klimaschutz sprechen die neue Fußwegverbindung und ein geplanter Fahrradschuppen mit E-Bike-Ladestation für den Radverkehr. Außerdem, so heißt es, werde die zurzeit fast vollständig zugepflasterte Fläche künftig durch Gärten und begrünte Dächer aufgelockert. Zum Schutz vor Starkregen müssen die Erdgeschosse 30 Zentimeter über die Geländeoberkante liegen - sie sind damit also nicht barrierefrei. Solaranlagen auf den Dächern sind möglich, aber nicht vorgeschrieben.
Die eigentliche Gefahr droht dem Neubaugebiet aber nicht durch Starkregen, sondern durch Hochwasser der Emscher, die 500 Meter südlich davon verläuft. Ungewöhnlich schweres Geschütz fuhr die dafür zuständige Emschergenossenschaft (EG) gegen die Pläne auf. Sie hält die Bebauung für unzulässig, weil dadurch der Abfluss von Hochwasser behindert und damit Nachteile für höher und tiefer liegende Nachbarn verbunden seien.
Die Darstellung der Oberhausener Rathaus-Planer „leitet in die Irre, verharmlost und gefährdet“, heißt es überraschend deutlich in der Stellungnahme aus Essen. Die Fläche werde zwar durch Deiche geschützt, jedoch wäre sie schon bei einem Jahrhunderthochwasser erheblich betroffen, nicht erst bei einem zwar noch selteneren, aber viel stärkeren Extrem-Hochwasser. „Im Falle eines Deichversagens sind die Flächen kaum/nicht zu schützen. Die potenziellen zukünftigen Bewohner sollten hiervon wissen“, meinen die Essener Fachleute.
Nur Hubert Cordes hat sich gewundert
Die Oberhausener Rathaus-Beschäftigten dagegen stehen auf dem Standpunkt, dass die Emschergenossenschaft als Hochwasserschutzpflichtige den Schutz vor Überschwemmungen mindestens bis zum Fall eines Jahrhunderthochwassers sicherstellen müsse. Im übrigen liege die Verantwortung bei Feuerwehr und Katastrophenschutz. Durch deren Vorkehrungen „ist die Sicherheit der Bevölkerung mit hinreichender Sicherheit gegeben“. Die gesetzlichen Bestimmungen würden nicht vorsehen, so zu tun, als ob gar kein Deich existiere.
Als Hubert Cordes (SPD) diese Meinungsverschiedenheiten in der Bezirksvertretung Sterkrade zur Sprache brachte, tat Stadtplaner Christoph Hülsebusch die Haltung der Emschergenossenschaft als Irrtum ab. „Das ist ein Missverständnis. Die Ansicht der Emschergenossenschaft ist sachlich falsch, denn hier handelt es sich zwar um ein Risikogebiet, aber nicht um ein Überschwemmungsgebiet.“ Eine weitere Diskussion der Lokalpolitiker gab es in der Bezirksvertretung nicht.