Oberhausen. Das unter Denkmalschutz stehende Europahaus in der Innenstadt Oberhausen wird von Grund auf saniert. Erste Mieter ziehen noch in diesem Jahr ein.
- Das Europahaus in der Oberhausener City gilt als großes Sorgenkind der Stadt, das denkmalgeschützte Gebäude ist dringend sanierungsbedrüftig
- Nun gibt es Hoffnung: Ein Investor nimmt 30 Millionen Euro in die Hand und will sämtliche Wohnungen in den nächsten zwei Jahren sanieren
- Die Arbeiten laufen, die ersten neuen Mieter sollen noch in diesem Jahr einziehen
Auf dem Friedensplatz sprießt das erste Frühlingsgrün der Platanen, Enten tummeln sich im frisch herausgeputzten Wasserbecken. Dahinter strahlt das im Stil der Neorenaissance erbaute Amtsgericht, links lugt der beleuchtete Bahnhofsturm aus den Baumkronen, rechts der Backsteinturm des Rathauses. Am Horizont ragen Gasometer und Wasserturm in den Himmel, links daneben die Knappenhalde, immerhin Oberhausens höchste Erhebung. Diesen einmaligen und womöglich schönsten Ausblick auf die Stadt dürfen künftige Mieter genießen, die schon in wenigen Monaten im Europahaus mitten in der Innenstadt ihr neues Zuhause beziehen können.
Viele hatten die Hoffnung schon aufgegeben, dass der zuletzt arg heruntergekommene Gebäudekomplex jemals wieder hergerichtet wird. Viel zu lange haben die Vorbesitzer die Wohnungen verwahrlosen lassen, sich weder um den Brandschutz noch um nötige Sanierungen gekümmert. Die dort wohnenden Menschen verzweifelten. Aus Oberhausens erster Wohnadresse in den 60er und 70er Jahren war die wohl schmerzhafteste Problem-Immobilie im Herzen der Stadt geworden.
Doch seit dem 1. August 2022 hat der denkmalgeschützte Komplex mit der W&L AG mit Sitz im hessischen Bad Soden eine neue Eigentümerin. Zum Kerngeschäft des Unternehmens gehören der Kauf und die Sanierung von in die Jahre gekommenen Gebäuden. Rund 33 Millionen Euro investiert der Projektentwickler in das Oberhausener Europahaus, Kaufpreis inklusive. Rund 160 Wohnungen und 40 Gewerbeeinheiten haben in dem markanten Komplex Platz und erstrecken sich über neun Gebäudeteile am Friedensplatz, der Langemark- und der Elsässer Straße. Die Wohn- und Nutzfläche beläuft sich auf mehr als 16.300 Quadratmeter.
Die Arbeiten sind in vollem Gange. Bis zu zehn Arbeiter sind täglich pro Gebäudeteil im Einsatz, erklärt Bauleiter Klaus Maiwald. Wenn alles nach Plan läuft, sind die ersten Wohnungen in rund zwei Monaten fertig zum Einzug. Im ersten Gebäudeteil an der Langemarkstraße müssen zwar unter anderem noch Wände verputzt, barrierefreie Badmöbel installiert und Türen eingesetzt werden. „Aber das Gros der Arbeit ist fertig“, freut sich Maiwald. Und die ersten Interessenten für die rund 50 bis 80 Quadratmeter großen Wohnungen gebe es bereits.
Apropos Türen: Dem ursprünglich einmal angesetzten Zeitplan hängt der Bauherr etwas hinterher. Das liege unter anderem am Denkmalschutz, sagt Klaus Maiwald. Bei einer Sanierung müssen strenge Regeln eingehalten werden. So müssen Eingangstüren eine ganz bestimmte Farbe haben, die unter Umständen gar nicht so leicht zu beschaffen ist. Die alten Zimmertüren und -Rahmen aus den 60er Jahren müssen ausgebaut, aufbereitet und wieder eingesetzt werden. Eine Restauratorin kümmert sich darum, dass der Handlauf der Geländer im Treppenhaus im historisch korrekten Farbton gestrichen wird. Und für die Wände im Treppenhaus haben die Arbeiter zunächst unterschiedlichen Putz angebracht und ihn von den Denkmalschutz-Experten prüfen lassen. „Farbe und Rauigkeit müssen denen der 60er Jahre entsprechen“, erklärt der Bauleiter. „Wir sehen das ein und halten uns an alle Regeln. Aber manchmal kostet das viel Zeit.“
Auch das Thema Brandschutz hat die Bauherren umgetrieben. Denn das Europahaus hat zuletzt ganz und gar nicht den gesetzlichen Ansprüchen genügt. So mussten in einem Gebäude Wohnungen zusammengelegt werden, damit jede Wohnung über ausreichende Fluchtwege verfügt. In einem anderen Gebäude muss noch eine komplett neue Steigleitung gelegt werden, damit die Feuerwehr im Brandfall mit Löschwasser versorgt werden kann. Auch für die Wasserversorgung der Mieter wurden komplett neue Leitungen gelegt, ebenso für die Elektrik. Nötig war dies auch, weil die Bauherren von damals – fertiggestellt wurde das Europahaus 1957 – so manches unpraktische Erbe hinterlassen haben. So gab es bislang viele zusammengelegte Leitungen. Gab es in einem Teil eine defekte Wasserleitung, mussten gleich etliche Haushalte von der Versorgung gekappt werden. Zwei Gebäude haben sich damals auch einen Abfluss geteilt.
Wohnungen im Europahaus Oberhausen: Erste Wohnungen im Sommer 2024 fertig
Die ersten neuen Wohnungen können bald bezogen werden. Bis sämtliche Gebäudeteile komplett saniert sind, werde es dann aber noch etwa zwei Jahre dauern, kündigt Christoph Straube an, Vorstand der W&L AG. Ein Grund: Ein Teil der Wohnungen ist noch bewohnt und die Mieter müssen ihre Wohnungen zwingend verlassen. Denn die einzelnen Objekte werden für die Sanierung komplett entkernt. „Im Idealfall ziehen die Menschen innerhalb des Komplexes um, verlassen eine alte Wohnung und ziehen in eine frisch sanierte“, wünschen sich Straube und Maiwald.
Das ist allerdings mit Mehrkosten verbunden, denn die Miete wird sich nach der Sanierung erhöhen. Je nach Größe der Wohnung, ob mit oder ohne Küche, liegen die Mieten zwischen 7 und 8,50 Euro. Derzeit liegt die Kaltmiete in vielen, noch nicht sanierten Wohnungen zwischen 5 und 6 Euro. Es gibt bereits Interessenten für die neuen Wohnungen, Anfragen nimmt die W&L AG direkt entgegen: info@wl.ag.
Der Projektentwickler gibt noch ein Versprechen ab: Wenn die Stadt ein gutes Konzept für den alten Kinosaal im Europahaus erarbeitet, ist er bereit, auch dieses alte Schätzchen zu sanieren und entsprechend an die Stadt zu vermieten. Die Stadt selbst wollte das alte Kino zwar selbst bis 2021 saniert haben, ist an diesem Vorhaben aber gescheitert.
Dieser Artikel erschien erstmals am 29. April 2024 auf www.waz.de/oberhausen.
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