Oberhausen. 8000 Fans haben in Oberhausen große Filmmusik von Hans Zimmer gefeiert. Auf der Leinwand verrät der Meister, warum Disney ihn einst belogen hat.
Lange Zeit wirkte orchestrale oder elektronische Filmmusik, als wäre sie den Kino-Nerds und hinteren Regalen der Musikläden vorbehalten: Doch große Melodien aus dem Lichtspielhaus sind derzeit angesagter denn je. Eine ihrer Ikonen hat vor acht Jahren plötzlich angefangen, moderne Soundtrack-Konzerte in Pop-Optik zu spielen. Jemand, der Jahrzehnte über in düsteren Komponier-Kammern verbracht hat und der Öffentlichkeit meist unbekannt blieb: Hans Zimmer (66).
Am Sonntag hat der in der Nähe von Frankfurt aufgewachsene und heute in Los Angeles und London lebende Star-Komponist rund 8000 Fans in die Arena Oberhausen gelockt. Obwohl der Meister gar nicht persönlich anwesend war. Dafür gibt es ein großes Orchester aus Odessa, grelle Lichtkegel - und etliche Seufzer.
Hans Zimmer in Oberhausen: Sympathische Videogrüße, überflüssige Tricks
„The World of Hans Zimmer“ ist eine von vielen Konzert-Produktionen, die mit der Akustik von Hans Zimmer wirbt. Gerade in Stadthallen spielen fremde Orchester mittlerweile viele Tribute-Konzerte und surfen damit auf der Popularitätswelle. Nur zwei Touren hat der Hollywood-Weltstar selbst aufgelegt: Die Live-Tour, bei der er 2023 auch in Oberhausen höchstpersönlich auf der Bühne stand, ist allerdings häufig in kürzester Zeit ausverkauft. Bei „The World of Hans Zimmer“ schickt er nun seine Solisten alleine auf Tournee, dirigiert durch seinen langjährigen Co-Komponisten Gavin Greenaway. Nur die Ansagen macht er selbst- natürlich wie das sich gehört von der Leinwand.
Er plaudert auf Deutsch und Englisch. Erklärt das Filmgeschäft mit Anekdoten und lässt Star-Produzent Jerry Bruckheimer oder Kult-Regisseur Guy Ritchie zu Wort kommen - und das durchaus gewitzt. Dass die Video-Einspieler aufgezeichnet sind, ist schon klar. Darum wirken die gespielten Dialoge mit seinem Dirigenten auch wenig oscarreif, sondern erinnern eher an die Goldene Himbeere. Diese Hollywood-Trickserei gehört zu den wenigen überflüssigen Elementen eines höchst hörenswerten Konzerts.
Hans Zimmer in Oberhausen: Ein Herz für Klassiker - Musikauswahl überzeugt
Das liegt nicht zuletzt an der runderneuerten Setlist: Bei vorherigen Touren zeigte sich das Zimmer-Programm manchmal etwas unbeweglich. Angesichts von mehr als 200 vertonten Kinofilmen vertraute Zimmer trotzdem auf viele jüngere Kinomelodien, tauschte zwischen den Touren nur wenig aus. Diesmal geht Fans der ersten Stunde das Herz auf, wenn verborgene Klassiker zum ersten Mal von der Bühne schallen.
Beim 28 Jahre alten Action-Klassiker „The Rock“ (mit Nicholas Cage und Sean Connery) lässt Zimmer das Orchester eine Filmmusik brodeln, die nicht gerade zu den Lieblingswerken des dauerbeschäftigten Komponisten zählt. Trotzdem gehört dieser häufig zitierte Titel mit geschickt eingestreuten Rock- und Pop-Anleihen samt dunkler Chöre zu den Türöffnern der Filmmusik für eine jüngere Zielgruppe.
Hans Zimmer in Oberhausen: „Prince of Egypt“ setzt ein musikalisches Glanzstück
Auch nicht unbedingt im Konzert-Verlauf zu erwarten ist die Musik zu „Prince of Egypt“. Die Zeichentrick-Adaption der Moses-Geschichte ging in den Kinos zur Jahrtausendwende im Hollywood-Kitsch unter. Die Filmmusik von Hans Zimmer bietet dagegen einen mitreißenden Klangteppich, im Original angereichert mit überirdischen weiblichen Vocals der zwei Jahre nach der Produktion verstorbenen israelischen Weltmusikerin Ofra Haza. „Prince of Egypt“ zählt zu den fachlich komplettesten Zimmer-Partituren. Auch in Oberhausen gibt es dafür viel Applaus.
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Ob der etwas beliebige Superman-Bombast aus „Man of Steel“ oder die weibliche Adaption „Wonder Woman“ zu den prägenden Zimmer-Werken zählen, ist wohl eher Geschmackssache. Größeren Eindruck hinterlässt die in ultracoolen Klangfarben gezeichnete Batman-Variation „The Dark Knight“, die Orchester und Elektronik meisterhaft verbindet. Auch die feine Suite aus „Miss Daisy und ihr Chauffeur“ (mit Jessica Tandy und Morgan Freeman) bietet einen feinen Kontrast zur Wucht vieler Zimmer-Kompositionen. Die Musik klingt trotz der großen Halle klar.
Hans Zimmer in Oberhausen: Beim „König der Löwen“ gibt es einige feuchte Augen
Wenn dann schließlich bei „Gladiator“ das Schlachtengetümmel mit weltmusikalischer Fülle verschmilzt, liegt dies auch an Lisa Gerrard. Die ehemalige Vocalistin aus dem australisch-britischen Duo „Dead can Dance“ ist in Oberhausen persönlich anwesend - und sorgt in der Arena für Gänsehaut. Das männliche Gegenstück heißt Lebo M, der Zimmers erster Oscar-Filmmusik von „Der König der Löwen“ die afrikanische Leadstimme lieh - und der zuvor schon bei „The Power of one“ mitwirkte.
Der „König der Löwen“ sorgt bei Zuschauerinnen und Zuschauern in Oberhausen jedenfalls für feuchte Augen: Die üppige Suite zum Zeichentrick-Klassiker (1994) und der Real-Verfilmung (2019) steckt voller ethnischer Wucht. Ovationen! Hierzu verrät der Komponist auch im Video-Einspieler, dass er zunächst nicht begeistert war, den späteren Welterfolg von Disney zu übernehmen. „Ich mochte keine Musicals. Die Produzenten haben mir gesagt: Wir machen daraus kein Musical. Sie haben mich also angelogen!“ Doch mittlerweile habe er seinen Frieden geschlossen und seine Meinung geändert. „ The Lion King“ ist zusammen mit den Songs von Elton John längst auch als Musical ein Welterfolg. Er scherzt: „Ich wollte damals nur meine kleine Tochter mit zur Premiere nehmen.“
Auch der topaktuelle „Dune 2“, „James Bond - No Time to die“ und „Inception“ mit der bekannten Piano-Ballade „Time“ erklingen noch zum Konzertende. Und die Zuschauer dürfen nicht gen Heimat segeln, bevor der stilprägende Titel „He‘s a Pirate“ aus „Fluch der Karibik“ erklingt. Immerhin eine der meist zitierten Kinomelodien der jüngeren Kinogeschichte.
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