Oberhausen. Hasan Onur macht bald Abitur am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium – und nebenbei im Fußball Karriere. Wie der Teeanager das schafft.
Es gibt den Hasan auf dem Fußballplatz und den Hasan abseits des Spielfelds. „An Hasan kommt man nicht vorbei. Das weiß jeder in Oberhausen“, sagt Tuğba Alaca, seine Sportlehrerin am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium. Links-Verteidiger, Linksfuß, unglaublich schnell: Der 16-Jährige begeistert nicht nur sie. Und nach Abpfiff? „Ist er sehr freundlich, engagiert, diszipliniert – und bescheiden.“ Es sei erstaunlich, wie unauffällig der Teenager mit seinem großen sportlichen Erfolg umgehe. Niemals würde Hasan angeben, nicht ein einziges Mal sei er im Borussia-Mönchengladbach-Trikot zum Unterricht erschienen. Dabei ist er dort als Profi unter Vertrag, gehört zum 25-köpfigen Kader der U-17-Mannschaft.
Tuğba Alaca hat nicht übertrieben. Hasan Onur ist während unseres Gesprächs auffällig höflich und zurückhaltend, so wie ihn seine Lehrerin auch beschreibt: „Er war immer diszipliniert und hat damit die anderen mitgerissen“, erinnert sich Tuğba Alaca an Hasan, den Fünftklässler. „Er stellt sein Team immer fair auf und versucht, bei Problemen zu vermitteln.“
Fußball-Talent aus Oberhausen: Hasan Onur spielte erst bei RWO, dann bei Gladbach
Hasan, der Musterschüler? Der Jugendliche winkt ab. „Ich werde nie die besten Noten haben. Aber immerhin keine Vieren und Fünfen.“ Alaca widerspricht ihm. Sie findet erstaunlich, wie gut seine Noten sind, trotz des strengen Zeitplans, den er als festes Teammitglied bei Gladbach hat. Vier Mal pro Woche Training, er ist dann immer erst um 22 Uhr zu Hause, plus Spiele am Wochenende. Hinzu kommen Hausaufgaben und Prüfungs-Vorbereitungen. Was ein Elftklässler so tun muss, der aufs Gymnasium geht und im nächsten Jahr das Abitur macht. Dennoch habe er nicht das Gefühl, etwas zu verpassen, meint Hasan: „Ich hab Ziele vor Augen“, sagt er. Wenn seine Freunde „Sag mal das Training ab“ sagen, sei die Antwort immer gleich: „Auf gar keinen Fall.“
Seine Liebe fürs Fußballspiel hat Hasan schon im Kindergartenalter entdeckt. Als er drei Jahre alt war, haben ihn seine Eltern beim SC Buschhausen angemeldet. Mit sechs Jahren ging es weiter zu Glückauf Sterkrade. Als er sieben ist, nimmt er an einem Sichtungstraining für die U8-Mannschaft bei RWO teil. Sie nehmen ihn. Es wird ernst. „In dem Alter war mir das noch gar nicht bewusst“, sagt Hasan. „Ich habe einfach nur Fußball gespielt.“ Er schießt einige bemerkenswerte Tore, wird von Borussia Mönchengladbach abgeworben. Dort wird er mit der U-15-Mannschaft Westdeutscher Meister. Ein Grund für den Sieg ist die starke Abwehr, Hasans Spezialität.
Der Scout der türkischen Nationalmannschaft entdeckt Hasan Onur bei einem Turnier
So bescheiden Hasan auch bleibt, sein Talent fällt auf. Bei einem Turnier in Heilbronn im Sommer 2023 fällt er einem Scout auf, der nach jungen Spielern für die Türkei sucht. „Sie haben mich zu einem Lehrgang nach Lettland eingeladen“, erzählt Hasan, „aber ich musste absagen, weil wir in dem Zeitraum Spiele hatten. Gladbach geht vor.“ Seine Prioritäten sind klar. Sein Trainer, seine Kameraden stehen für ihn an allererster Stelle. Der Verein bietet ihm viel: professionelles Training, Nachhilfeunterricht, Social-Media-Schulungen zur Vorbereitung auf eine Profi-Laufbahn. „Ich sehe die öfter als meine Familie“, sagt der Fußballer.
Hasan hätte nicht erwartet, jemals wieder von den Türken zu hören. Doch er wird erneut eingeladen, zu einem Lehrgang in Georgien. Die Schule stellt ihn frei – die Schulleitung steht voll und ganz hinter ihrem talentierten Schüler – und er überzeugt. Für zwei Spiele wird er daraufhin ausgewählt. Dafür und für das Training in Istanbul braucht er wieder den guten Willen seiner Lehrerinnen und Lehrer. Sie machen alles möglich, lassen ihn Klausuren nachschreiben und befreien ihn vom Nachmittagsunterricht.
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Jetzt hofft Hasan auf weitere Einsätze, er ist offiziell Spieler der türkischen U-17-Mannschaft. Dafür hat er sich die türkische Staatsangehörigkeit besorgt. Bis vor wenigen Wochen hatte er diese nämlich nicht. Er ist schließlich in Oberhausen geboren und aufgewachsen, seine türkischen Wurzeln stammen aus der Großeltern-Generation. Sie sind vor vielen Jahrzehnten eingewandert, Hasans Eltern sind ebenso wie er und sein jüngerer Bruder Kerem von Geburt an deutsche Staatsbürger.
Was will Hasan entgegnen, wenn er gefragt wird, warum er für die türkische statt für die deutsche Nationalmannschaft spielt? Der 16-Jährige scheint erstaunt über die Frage. Er glaube nicht, dass er deswegen angefeindet werden könnte. „Für mich ist wichtig, was mich fußballerisch weiterbringt“, sagt er. Hätte es sich ergeben, dann hätte er selbstverständlich auch für Deutschland gespielt. Am liebsten bliebe er ohnehin bei den Borussen. Er strebt kein Leben in der Türkei an, es geht ihm immer nur um den Sport. Klar hätten sich Verwandte gefreut und seinen Eltern gratuliert. Doch das hat mit Hasans Leben wenig zu tun. Er kennt die meisten von ihnen kaum. Wichtig ist für ihn, dass seine Familie stolz auf ihn ist. Und das ist sie. Nicht, weil er für diese oder jene Nationalmannschaft spielt, sondern weil er es schafft, ein toller Spieler, ein guter Schüler und ein liebenswürdiger Mensch zu sein.