Oberhausen. Ab ins Museum: Der letzte Overhead-Projektor wird in Oberhausen eingemottet - feierlicher Abschied mit Honoratioren im Grundschul-Klassenzimmer.
Über so viele Erwachsene, die sich in ihrem Klassenraum drängeln, staunten die Schülerinnen und Schüler der Klasse 4a der Brüder-Grimm-Grundschule am Donnerstagmorgen sehr. Warum die Großen so viel Wirbel um dieses hässliche, alte Gerät auf dem wackligen Rollwagen machten, konnten sie nicht verstehen.
Verständlich, sind sie doch erst neun oder zehn Jahre alt und haben kaum mehr Erinnerungen an Unterrichtsstunden mit verschmierten Notizen, die an eine weiße Wand projiziert werden. Sie werden überhaupt nicht bemerken, wenn der Overhead-Projektor ab morgen nicht mehr in einer Ecke ihres Klassenraums steht.
Doch für die vielen städtischen Vertreter, allen voran Oberbürgermeister Daniel Schranz, und die vielen Journalisten, die gekommen waren, glich diese turbulente Englisch-Stunde einem Paukenschlag: Der letzte (symbolisch betrachtet) Overhead-Projektor Oberhausens wurde ausgeschaltet und an eine Vertreterin des Stadtarchivs überreicht. Tschüss, Vergangenheit. Hallo, Digitalisierung.
Digitalisierung an Oberhausens Schulen: Bis Ende 2024 haben alle Zugang zum WLAN
Rund 1300 Unterrichtsräume gibt es laut Aussage der Stadt in Oberhausen. Und inzwischen sei jeder einzelne davon mit einer digitalen Tafel oder zumindest einem Beamer ausgestattet. Hinzu kommt, dass das stadteigene Glasfasernetz für alle Schulstandorte fast fertiggestellt ist, die letzten beiden sollen im März angeschlossen werden.
Über 10.000 Oberhausener Schülerinnen und Schüler haben bereits Zugang zum WLAN in den Unterrichtsräumen, bis Ende des Jahres sollen es alle rund 25.000 Kinder und Jugendlichen sein. Rund 16.200 iPads und Laptops werden im Unterricht eingesetzt. Gründe genug für das Stadtoberhaupt, zwei seiner Dezernenten, dem Leiter der IT-Abteilung, Pressesprecher und andere Interessierte, diesem historischen Moment beizuwohnen, den letzten Overhead-Projektor zu verabschieden. Der dürfte, altersbedingt, bei dem einen oder anderen auch Erinnerungen geweckt haben.
„Ich weiß noch, wie stolz ich war, wenn ich mal selbst was beschriften durfte“, sagt Michaela Schmitz-Oetjen vom Stadtarchiv am Rande des Overhead-Projektor-Begräbnisses. Was bei ihr aus der Schulzeit auch noch hängengeblieben ist: „Wie schlecht die Schrift der Lehrer manchmal zu lesen war.“ Oberbürgermeister Daniel Schranz scheint ein besonders inniges Verhältnis zu dem optischen Bildwerfer entwickelt zu haben, der 1931 nach einer Idee des deutschen Maschinenbauingenieurs und Physikers Walther Bauersfeld entstand.
Oberhausens Oberbürgermeister erzählt von seiner Schulzeit
In der Brüder-Grimm-Schule erzählt das Stadtoberhaupt den Kindern davon, wie gerne er als Student die transparenten Folien für Präsentationen hergerichtet hat und wie beliebt das Gerät in der Stadtverwaltung war. „Ich habe die Foliensätze von meinen Seminaren noch alle zu Hause“, gesteht er. „Ich traue mich nicht, sie wegzuwerfen.“
Selbstredend wird auch der Overhead-Projektor der Brüder-Grimm-Schule, der letzte seiner Art in diesem Gebäude, jedoch bestimmt noch nicht stadtweit der letzte, nicht auf dem Müll landen. Michaela Schmidt-Oetjen wird ihn im Historischen Klassenzimmer in Lirich platzieren, „zwischen Lehrerpult und einem der ersten Computer“. Zu bewundern beispielsweise am Tag der Offenen Tür am Sonntag, 28. Januar 2024, ab 12 Uhr (Anmeldung: stadtarchiv@oberhausen.de). Zumindest die Kindergartenkinder, glaubt sie, werden über die veraltete Technik staunen.
Die quirlige Klasse 4a der Brüder-Grimm-Schule hat das graue Ungetüm längst vergessen. Die Aufmerksamkeit gehört Klassenlehrer Michael Kirchner und der wirklich beeindruckend digitalen Tafel. Eine Seite im Lehrbuch aufschlagen, die Aufgabe herauszoomen, hineinschreiben, wegwischen. Es scheint alles mühelos und spielerisch.
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Die Farbe des Hintergrunds kann wechseln, ein Lineal oder ein Zirkel zum Einsatz kommen. Ein Klick, und es kann gegoogelt werden. Die ZDF-Mediathek öffnet sich – und das ist alles nur ein kleiner Ausschnitt des neuen Unterrichtsgeräts, das Michael Kirchner seit den Sommerferien einsetzt und nicht mehr missen möchte. iPads der Kinder sind mit der Tafel verbunden. Ihre Ergebnisse nach Einzel- oder Gruppenaufgaben können für alle sichtbar gemacht und besprochen werden. Die digitale Tafel sei „ein unheimlicher Motivationsfaktor“, sagt der Lehrer. Wer sich umschaut während dieser Englisch-Stunde sieht gleich, dass er die Wahrheit sagt.