Oberhausen. Das Junge Theater zeigt große Kunst mit einfachen Mitteln - und erzählt mit viel Humor eine berührende Geschichte von Alkoholismus.

Ein fantastisches Theatererlebnis bietet das Kinderstück „Das Leben ist ein Wunschkonzert“ - nicht nur den jungen Zuschauern. Lang anhaltender Applaus belohnte nach der Premiere im ausverkauften Studio des Theaters die beteiligten Akteure für ein Gesamtkunstwerk, das in Erinnerung bleibt.

Da stimmte einfach alles, was gelungenes Theater auszeichnet: überzeugendes Schauspiel mit Rollenwechseln in einem wandlungsfähigen Bühnenbild von Ilka Meier, das mit wenigen Mitteln großartige Effekte erzielt, passende musikalische Untermalung und – ganz wichtig – Esther Beckers spannende Geschichte zum Mitfiebern.

Anna wünscht sich ein Haustier - warum keine Schnecke?

Thema ist eine schlimme, aber leider nicht seltene Wirklichkeit: Wie ergeht es Kindern, wenn ihre Eltern suchtkrank sind? Es geht um Anna (gespielt von Ronja Oppelt), die unter der Alkoholsucht ihrer Eltern leidet und alles gibt, damit niemand etwas davon merkt; nicht der Pizza-Bote (Tim Weckenbrock), nicht die Professorin und Frau Nachbarin (Susanne Burkhard) und nicht einmal die beste Freundin Hannah (als Gast: Clara Schwinning).

Wer sich als Erwachsener dieses Thema nur schwer als Familien-Theaterstück vorstellen konnte, dem beweist dieses „Wunschkonzert“ das Gegenteil. Denn dass das Leben trotz gegenteiliger Behauptungen manchmal eben doch eins ist, zeigt sich durch die Schnecke, die plötzlich und unerwartet auf dem Türschild von Annas Haus sitzt. Sie hat sich schon immer ein Haustier gewünscht. Warum nicht dieses? Sie tauft es, weil sie nicht weiß, ob es weiblich oder männlich ist, kurzerhand Ulli Sascha Chris und kümmert sich liebevoll.

Bälle sind in Annas Welt jene Flaschen, die ihre trinkenden Eltern hinterlassen - und die es immer wieder zu verstecken gilt.
Bälle sind in Annas Welt jene Flaschen, die ihre trinkenden Eltern hinterlassen - und die es immer wieder zu verstecken gilt. © Theater Oberhausen | Jochen Quast

Überhaupt ist Anna kein Kind von Traurigkeit. Sport ist ihr Lieblingsfach und sehr gern wäre sie Karate-Meisterin. Und sie ist unglaublich kreativ und witzig. Ihre sympathische Art, überzeugend gespielt, bewirkt, dass die Zuschauer sie lieben, und bringt Leichtigkeit ins Spiel.

Dass im Theater alles möglich ist, zeigt der Chor der Schnecken. Wie sie agieren, macht großen Spaß anzusehen. Die Schnecken werden ebenfalls von den vier beteiligten Darstellern gespielt, ein übergeworfener Umhang genügt für die perfekte Verwandlung.

Es lohnt sich für Anna, Hilfe anzunehmen

Gut fürs Gelingen der Geschichte ist auch, dass die alkoholkranken Eltern im Haus bleiben und dass das Chaos, das sie anrichten, nicht zu sehen ist. Am Ende ist es Hannah, die tatkräftige Freundin, die Annas Geheimnis aufdeckt und Hilfe ruft. Als gute Helfer in der Not erweisen sich auch der Pizza-Bote, Frau Professorin - und nicht zuletzt der Schneckenchor.

Und die Moral von der Geschicht’? Es lohnt sich für Anna, Hilfe anzunehmen.

Das Publikum bestaunt die große Palette dessen, was auf der Theaterbühne möglich ist. Haben wir nicht geglaubt, dass Bällchen Flaschen sind? Saß da nicht die Schnecke wirklich vergnügt winkend im Vorgarten? Und haben wir sie nicht doch gesehen, die unsichtbaren Regale voller Bücher in der Wohnung von Frau Professorin?

Viele „Wunschkonzerte“, nicht nur für Schulklassen

Die Abenteuer mit Anna dauern eine Stunde und zehn Minuten, die wie im Fluge vergehen, aber Eindrücke hinterlassen, die lange nachwirken. Das „Wunschkonzert“ wird noch häufiger aufgeführt, nicht nur vormittags für Schulklassen, sondern auch an Sonntagen für Familien. Karten für die weiteren Vorstellungen gibt‘s für 5 und 8 Euro unter 0208 8578 184, per Mail an service@theater-oberhausen.de. Die Regiearbeit von Anne Verena Freybott entstand in Kooperation mit dem Kompetenzzentrum Suchtberatung und ist empfehlenswert für Zuschauer ab acht Jahren.