Oberhausen. Seit den 1990ern kann der „Salon 2000“ in Oberhausen für Hochzeiten gebucht werden. Die Chefin des Eventsaals hat türkische Wurzeln.
- Die Oberhausenerin Rezzan Karabulut betreibt die Eventlocation „Salon 2000“.
- Sie ist eines der ersten Mitglieder des neuen Netzwerks für Selbstständige mit Migrationshintergrund in Oberhausen.
- Die Wünsche der jungen Leute für ihre Hochzeit hätten sich im Laufe der Jahre stark verändert, erzählt Rezzan Karabulut.
Die Zahl der Selbstständigen mit Migrationshintergrund hat sich seit den 1990er Jahren nahezu verdreifacht, 2019 erfolgte jede vierte Existenzgründung durch Eingewanderte und ihre Nachkommen. Dies berichtet die Bundeszentrale für politische Bildung und dies beobachtet auch Saadettin Tüzün als Aufsichtsratsvorsitzender der Wirtschafts- und Tourismusförderung in seiner Heimatstadt Oberhausen. Doch der CDU-Politiker kennt auch die Schattenseiten dieser vordergründig positiven Nachrichten.. Gründerinnen und Gründer mit ausländischen Wurzeln – nicht selten bereits in dritter Einwanderergeneration in Deutschland geboren und ausgebildet – zeichneten sich zwar durch viel Mut und Risikobereitschaft aus, verfügten jedoch über weniger Kontakte als Deutsche ohne Migrationshintergrund und hätten eine vergleichsweise größere Hemmschwelle, sich Hilfe zu suchen. Das Ergebnis, laut Tüzün: „Diese Unternehmer tragen in steigender Zahl zur Wertschöpfungskette bei, sind aber nicht sichtbar.“ Dies will das neue Netzwerk für Unternehmer mit Einwanderungsgeschichte, angestoßen von der Wirtschaftsförderung, ändern.
Rezzan Karabulut ist eine dieser couragierten migrantischen Personen der ersten Stunde. 1997 hat sie mit ihrem Mann Erdal Karabulut den Eventsaal „Salon 2000“ eröffnet, eine tausend Quadratmeter große ehemalige Lagerhalle inmitten eines kleinen Industriegebiets an der Tannenbergstraße. Das deutsch-türkische Ehepaar schloss mit seiner Geschäftsidee damals eine klaffende Marktlücke: Es gab kaum Möglichkeiten in der Stadt für die großen Hochzeitsfeierlichkeiten der Migranten-Communitys. „Bis auf einen illegalen Saal im Keller einer Teestube waren wir damals die einzigen“, erinnert sich Rezzan Karabulut. Ihre Schwester habe 1986 in der Sporthalle der Gesamtschule Osterfeld feiern müssen, sie selbst seien nur in Essen fündig geworden. Einige Paare hätten sich in diesen Jahren für das Haus Union entschieden, andere für den Gastraum einer Kneipe wie an der Rothebuschstraße: „Da war Platz für hundert Personen, aber es kamen so viele, dass alle standen.“
Migrantische Unternehmerin der ersten Stunde: Im Hochzeitssaal standen nur Bierbänke
Unzählige Hochzeiten haben die Karabuluts seit den 1990er-Jahren im „Salon 2000“ ausgerichtet, ganz in Pink oder sogar Schwarz , inzwischen ist alles gefragt und wird möglich gemacht. Die Pflastersteine aus den ersten Tagen ist einem schlichten Betonboden gewichen, den Bierbänken von einst folgten filigrane weiße Stühle, über den Köpfen der Gäste schweben kristallene Lüster. Bis heute kann das klassische halbe Hähnchen, auf Papptellern und mit Salat, geordert werden, es gibt jedoch längst auch Menüs am Platz oder schicke offene Buffets. Die Wünsche der jungen Leute hätten sich im Laufe der Jahre stark verändert, erzählt Rezzan Karabulut. „Die Ansprüche sind gestiegen, auch dank Instagram“, sagt die 53-Jährige, selbst zweifache Mutter. Eines sei geblieben: „In 50 Prozent der Fälle zahlen die Eltern.“ Für ein großes Fest mit 300 Personen, so viele passen in den „Salon 2000“, kostet der Spaß inklusive Deko, Essen, Musik, Fotos und Video zwischen 15.000 und 20.000 Euro.
Neun Monate hat es damals gedauert, bis die Karabuluts die Genehmigung für eine Nutzungsänderung der Halle erhielten. Es war ein zäher Prozess, erinnert sich die Unternehmerin, auch, weil sie nicht so recht wussten, wie sie sich dem Amt gegenüber richtig verhalten sollten. „Viele Menschen mit Migrationshintergrund haben großen Respekt vor dem Rathaus oder dem Finanzamt“, sagt Saadettin Tüzün. „Auf Türkisch wird die Ausländerbehörde als Ausländerpolizei bezeichnet, das muss man sich mal vorstellen. Die Hemmschwelle gegenüber öffentlichen Stellen ist groß.“ Dies zu ändern, sei eines der großen Themen im neu gegründeten Netzwerk.
Vielfalt der Migranten-Wirtschaft in Oberhausen: viel mehr als nur Dönerläden
Unternehmensberaterin Gülay Demirci ist ein weiteres Gesicht des neuen Netzwerks für migrantische Unternehmerinnen und Unternehmer. Die 54-Jährige hofft auf rege Teilnahme an den geplanten Info-Veranstaltungen: „Kommt raus aus euren Unternehmen, lernt die NRW-Bank kennen, lernt die Wirtschaftsförderung kennen“, lautet ihre Devise. Die Hoffnung: Wenn persönliche Kontakte geknüpft werden zu Akteuren, dann werden die Start-Ups, die inzwischen eine viel größere Vielfalt aufweisen als nur der übliche Dönerladen und Friseursalon, auch von den öffentlichen Stellen bemerkt. „Und dann kommt es vielleicht auch mal zu einer Mitwirkung im Ausschuss der Industrie- und Handelskammer.“
Fördermöglichkeiten, Kredite – Gülay Demirci erlebt in ihrer Arbeit immer wieder, wie unwissend ihre Klienten sind. Und diese sind, zum allergrößten Teil: Menschen mit Migrationshintergrund. „Türken gehen zu Türken, Albaner zu Albanern“, benennt Saadettin Tüzün ein anderes Phänomen des migrantischen Wirtschaftsgeschehens. Dies führe zu einer Nischenbildung, die nicht immer gut ist. Rezzan Karabulut beispielsweise wünscht sich, auch andere Veranstaltungen jenseits von türkischen Hochzeiten auszurichten. „Wieso kommen die Karnevalsvereine nicht?“, fragt sie, „oder die Verbände?“ Dass ihr eher „robustes“ Umfeld mit holprigen Wegen nicht gerade die feinste Umgebung für eine Gala ist, sei ihr bewusst, doch es könnte auch andere Gründe geben. Kennt man sie überhaupt? Auch Gülay Demirci spürt Vorbehalte ihr als deutscher Unternehmensberaterin mit türkischen Wurzeln gegenüber.
Ob das neue Netzwerk Ressentiments in Luft auflösen wird, ist zweifelhaft, doch gemeinsam könnten Schritte in diese Richtung gemacht werden. Sich zunächst untereinander kennenlernen, dann die wichtigen Stellen in der Stadt, dies ist die Reihenfolge, die vorgesehen ist. Das Thema der nächsten Veranstaltung: „Praktikum, Ausbildung, Qualifizierung“. Und dann? „Werden wir hoffentlich irgendwann nicht mehr gebraucht“, sagt Saadettin Tüzün, der auch für seine Mitstreiter bei der Agentur für Arbeit, im Integrationsrat und beim Initiativkreis Ruhr spricht. Bis dahin müssten die vielen Oberhausener Unternehmerinnen und Unternehmer mit Namen, die nicht typisch Deutsch klingen, nicht nur als der starke Motor anerkannt werden, der sie sind, sondern auch als ganz normaler Teil der deutschen Wirtschaft.
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