Oberhausen. Erneut gibt es Ärger wegen der Junkies und Trinker am Altmarkt in Oberhausen. Anwohner sind regelrecht empört. Was Stadt und Polizei dazu sagen.
Anwohner aus der Innenstadt sind regelrecht empört. Leute der Trinker- und Drogenszene verrichten vor den Augen aller ihre Notdurft. Pöbeleien sind an der Tagesordnung, mitunter ist es laut bis in die Abendstunden. Wir haben mit den Anliegern gesprochen, aber auch mit Stadt und Polizei, denen die Nachbarn vorwerfen, sich nicht hinreichend zu kümmern.
Lesen Sie auch:
- Saufgelage am Altmarkt verderben Oberhausenern das Leben
- Briefkasten als Toilette missbraucht: So reagiert die Post
- Schon wieder: Unbekannte reißen Blumen in Oberhausen raus
Es sind überwiegend Senioren, die sich für das Gespräch im Gemeinschaftsraum an der Christoph-Schlingensief-Straße 10 versammelt haben. Schon die Vorstellungsrunde erweckt den Eindruck, auf eingeschüchterte Menschen zu treffen. Keiner möchte seinen Namen nennen, geschweige denn fotografiert werden – aus Angst, dass „wir bei der nächsten Begegnung beleidigen werden oder uns dumme Sprüche anhören müssen“.
Vom Gerüst an der Kirche die Notdurft verrichtet
Seit Wochen erleben die Betroffenen ihren Schilderungen zufolge Spaziergänge oder Einkäufe regelrecht als Albträume. Eine ältere Dame schimpft: „Die Leute stehen herum, meist eine Flasche in der Hand. Plötzlich öffnet einer ganz ungeniert seine Hose und pinkelt an den nächstgelegenen Baum oder sucht sich eine Mauer“. Selbst vor dem Pavillon der Kindermalschule würde ständig uriniert. Wegen Gestank und Müll habe die Post sogar schon den einzigen Briefkasten weit und breit, der an der Ecke Marktstraße/Höhe Altmarkt stand, abgebaut, wissen mehrere Senioren. Die Gründe für den Schritt hatte der Konzern seinerzeit gegenüber der Redaktion bestätigt.
Während des Treffens kommen noch weitere Ereignisse zur Sprache. „Ich habe auch schon einen Mann gesehen, der vom Baugerüst an der Herz-Jesu-Kirche das große Geschäft erledigt hat. So etwas darf doch nicht sein“, sagt ein Mitsechziger. Ein weiterer Besucher erzählt davon, wie er mit anderen beobachtet habe, dass ein Pärchen Geschlechtsverkehr hatte. „Wo leben wir hier eigentlich?“, fragt er erbost und zugleich auch resigniert. >>> Zum Thema: Junkie- und Trinkerszene: Oberhausener Arzt macht Vorschlag
Manche aus der Runde sprechen zudem über die Angst, die in ihnen hochkommt, wenn Trinker und Junkies große Hunde mit sich führen. Dass die Vierbeiner den Menschen Halt geben, dafür äußern einige Senioren Verständnis, dennoch bleibe ein mulmiges Gefühl.
Mehrfach Beschwerden an die Stadt geschrieben
Dabei hatten die Anwohner bis zum Frühjahr gehofft, dass es mit dem Spuk ein- für allemal vorüber sei. Denn nicht zum ersten Mal liegen bei Anwohnern aus dem Pacelli-Quartier wegen der ständigen Belästigungen die Nerven blank. Vor gut drei Jahren brandete der Ärger über solche unhaltbaren Zustände ein erstes Mal auf, sagt Klaus-Dieter Grambau. Der Anwohner hat keine Scheu seinen Namen zu nennen, er schrieb seinerzeit schon Beschwerdemails an die Stadt und schreibt auch jetzt wieder welche. Als es damals zu einem Treffen von Nachbarn, Politik und Verwaltung kam, hielt er die Fäden in der Hand.
2020 sei die Szene dank verschärfter Kontrollen durch das Ordnungsamt weitgehend verschwunden gewesen, erinnert sich der 74-Jährige. „Also funktioniert es doch, wenn die Stadt etwas unternimmt. Warum schreitet sie jetzt nicht ein“, fragt ein älterer Gast.
Zunächst zog die Szene, wie Recherchen dieser Zeitung ergaben, in Richtung Goebenstraße/Hermann-Albertz-Straße – und das vor allem aus einem Grund. In unmittelbarer Umgebung liegt das 2020 eröffnete Substitutionszentrum für Drogenabhängige, die hier ihr Methadon erhalten. Ein Teil von ihnen stammt aus Oberhausen, ein anderer reist mit Bahn oder Bus an. Der Protest gegen den neu gewählten Aufenthaltsort der Junkies ließ nicht lange auf sich warten. In dem Viertel liegen nämlich auch das Residenzhotel und die Anne-Frank-Realschule. Beide wandten sich aufgrund der Zustände prompt an die Stadt, die wieder mit verstärkten Kontrollen reagierte. Der gewünschte Erfolg stellte sich ein. Die Betroffenen „zogen“ ein weiteres Mal weiter, jetzt in die Nähe des Jobcenters, angelockt durch die Sitzbänke und Blumenkübel, mit denen die Stadt eigentlich die Wohlfühlqualität in der Innenstadt steigern wollte. Als mehrfach das Grün aus den Blumenkästen gerissen wurde, überall Dreck herumlag, „haben wir die Bänke und Kübel wieder entfernen lassen“, erläutert Ordnungsdezernent Michael Jehn. „Uns ist natürlich nicht verborgen geblieben, wo sich die Szene jetzt wieder aufhält. Da wir auch um die Beschwerden wissen, haben wir die Örtlichkeit sehr genau im Blick.“
Stadt wehrt sich vehement gegen Vorwürfe
Wenn jemand erwischt werde, der öffentlich seine Notdurft verrichte oder Alkohol trinke, erhalte die Person auch einen entsprechenden Platzverweis für 24 Stunden und eine Anzeige, sagt Jehn und hebt hervor: „Die Mitarbeiter des Ordnungsdienstes sind vielfach am Tag vor Ort.“
Um den Problemen Herr zu werden, „zeigen wir aber nicht allein durch Ordnungskräfte Präsenz, sondern es sind auch Streetworker im Einsatz“, sagt Jehn. Sie sollen mit den Leuten ins Gespräch kommen, ihnen Hilfe anbiete und auf sie einwirken.
Polizeisprecher macht sich für gemeinsames Vorgehen aller Akteure stark
Auch die Polizei, von der sich die Anwohner in der Gesprächsrunde „konsequenteres Einschreiten“ wünschen, schaue durchaus sehr genau hin, sagt Sprecher Maik Podlech. Mit der Stadt stehe man über die gemeinsame Anlaufstelle an der Marktstraße ohnehin im ständigen Austausch. Falls erforderlich gebe es Platzverweise und „Straftaten werden konsequent verfolgt“. Aber Podlech betont auch: Polizeiliche Maßnahmen allein seien oft nicht ausreichend, um die zugrundeliegenden Probleme zu bewältigen. Die Polizei und der kommunale Ordnungsdienst könnten nicht einfach pauschal gegen die Trinker- und Obdachlosenszene vorgehen. Um effektive Lösungen zu finden, müssten die verschiedenen Akteure zusammenarbeiten. Denn auch die Rechte obdachloser und suchtkranker Personen seien zu respektieren.
Die Anwohner fühlen sich, wie es das Gespräch zeigt, trotz allem nicht ernst genommen, weder von der Polizei noch von der Stadt. Da sei es auch kein Wunder, wenn die AfD in der Gegend reichlich Stimmen bekomme, heißt es. So manche Anwohner, sagt Grambau, fühlen sich wie auf einem verlorenen Posten.
- Sie wollen keine Nachrichten aus Oberhausen verpassen? Dann bestellen Sie unseren kostenlosen abendlichen Newsletter: Hier geht’s zur Newsletter-Anmeldung
- Sie möchten mehr Nachrichten und Geschichten aus Oberhausen lesen? Hier geht’s zur WAZ-Stadtseite Oberhausen
- Sie interessieren sich für Familien-Nachrichten aus dem Ruhrgebiet? Dann melden Sie sich für unseren kostenlosen Newsletter an: Hier geht’s zur Anmeldung
- Die WAZ Oberhausen finden Sie auch auf Facebook: Hier geht’s zur Facebookseite