Oberhausen. Armut in Oberhausen: Das ist kein Randphänomen, sondern in manchen Stadtteilen die prägende soziale Realität. Was kann die Stadt dagegen tun?
In der viel beachteten evangelischen Debattenreihe „Politisches Nachtgebet“ ist es am Dienstagabend um ein Thema gegangen, das zwar keineswegs neu ist, das aber leider nach wie vor top-aktuell ist: „Reiches Land, arme Kinder – Was tun?“ lautete die Frage in der Lutherkirche vor allem mit Blick auf die lokale Situation.
Viele Jahre der sozialpolitischen Debatten und der detaillierten Sozialraum-Analysen liegen bereits hinter Oberhausen. Klar ist: Es gibt ein massives Nord-Süd-Gefälle in der Stadt. Die armen Menschen, die in prekären Verhältnissen lebenden Familien ballen sich im Oberhausener Süden; die besser situierten Leute wohnen eher im Stadtnorden.
Zu den Gästen auf dem Podium zählte auch der Sozialdemokrat und Oberhausener Sozialexperte Ercan Telli. Er erhob vor rund 40 Zuhörern in der Lutherkirche eine glasklare Forderung: „Die Stadt darf ihre sozialpolitischen Mittel nicht länger nach dem Gießkannenprinzip vergeben, sondern muss diese Mittel auf den Oberhausener Süden und seine Stadtbezirke konzentrieren. Sonst rutscht dort alles ab.“
Ercan Telli ergänzte diese Forderung um einige eindringliche Hinweise zur sozialen Lage im Stadtsüden: Hier zahlen zum Beispiel ein Drittel der Familien keinen Kindergartenbeitrag. Sie sind davon befreit, weil sie weniger als 1300 Euro im Monat zur Verfügung haben. Anhand zahlreicher weiterer Beispiele skizzierte Telli die dramatische Armutslage im Stadtsüden. Hier gehe es jetzt wirklich darum, die Stadtgesellschaft zusammenzuhalten und für die Menschen den Weg zu sozialer Unterstützung oder am besten in gut bezahlte Jobs zu ebnen.
Beispiel aus Essen-Katernberg zeigt, wie wichtig Hilfe und Unterstützung sind
Neben Ercan Telli saß auch Luna Mreisch auf dem Podium, Sie leitet in Essen-Katernberg das Stadtteilprojekt „Kon-Takt“, das dort ein Sozialzentrum als Anlaufstelle und Kommunikationszentrum bereithält. Ratsuchende werden begleitet, können ihre Fragen vorbringen, erhalten Unterstützung etwa bei Behördengängen. So kann konkrete Hilfe gelingen.
Einen ähnlichen Ansatz verfolgen die Quartiersbüros in den Oberhausener Sozialräumen. Sie sind vor Ort präsent und leisten Tausende von persönlichen Beratungen im Jahr. Mit Blick auf die Armutssituation in Oberhausen kommt vor allem den Quartiersbüros in Mitte/Styrum, Alstaden/Lirich und Oberhausen-Ost eine Schlüsselfunktion zu. >>> auch interessant:Marienviertel: Phänomen unter den Oberhausener Stadtteilen
In der Lutherkirche hat sich zu all diesen Aspekten am Dienstagabend eine facettenreiche Debatte entwickelt, die von Pfarrer Andreas Loos moderiert wurde. Jürgen Koch, Vorsitzender der Oberhausener Arbeitsagentur, machte deutlich, dass sich in einem wichtigen Punkt die Lage auf dem Arbeitsmarkt grundlegend geändert habe: „Jeder wird gebraucht!“ Deshalb komme es darauf an, möglichst frühzeitig den Kontakt junger Menschen zu den Betrieben herzustellen. Hier seien die Schulen und Berufskollegs im Wege der Berufsfindung gefragt. Jetzt zähle es besonders, „Kinder in der schulischen Bildung auf ein funktionierendes Leben und die Arbeitswelt vorzubereiten“. Hier müsse von allen Beteiligten noch mehr getan werden.
Bei der Tafel Oberhausen ist die Kundenzahl in die Höhe geschnellt
Die Armuts-Dramatik im Stadtsüden machten auch Frank Domeyer, Geschäftfsführer des Diakoniewerks, und Silvia Willershausen von der Tafel Oberhausen mehrfach an konkreten Beispielen deutlich. Bei der Tafel ist die Kundenzahl in den vergangenen Jahren in die Höhe geschnellt. 4400 Menschen werden wöchentlich mit Lebensmitteln versorgt, darunter 2200 Kinder. Silvia Willershausen: „Diese Menschen, all diese Familien würden nicht zur Tafelkirche an die Buschhausener Straße kommen, wenn sie es nicht dringend nötig hätten.“