Oberhausen. 2023: das Jahr der Unwetter im Ruhrgebiet. Regelmäßig gehen Kanalsysteme angesichts der Wassermassen in die Knie. Wie ist die Lage in Oberhausen?
- Starkregen und andere Unwetter werden im Ruhrgebiet zu einer immer größeren Bedrohung
- Die Emschergenossenschaft meldet Rekordwerte bei den Starkregen-Ereignissen
- Im Interview erklärt Julia Hadrossek, neue Geschäftsführerin der Wirtschaftsbetriebe Oberhausen, wie Oberhausen sich vorbereitet
2023 ist das Jahr der Unwetter im Ruhrgebiet. Noch nie zuvor hat die Emschergenossenschaft so viele Starkregen-Ereignisse gezählt wie in diesem Jahr. Oberhausen ist bislang noch vergleichsweise glimpflich davongekommen – doch der nächste Regen kommt gewiss.
Zum Start in dieses Unwetter-Jahr 2023 hat Julia Hadrossek die operative Geschäftsführung der Wirtschaftsbetriebe (WBO) übernommen. Gemeinsam mit dem kaufmännischen Geschäftsführer Andreas Kußel ist sie mitverantwortlich dafür, die Oberhausener Straßen- und Kanal-Infrastruktur fit zu machen für kommende Starkregen-Ereignisse. Im Interview mit Redakteurin Nadine Gewehr spricht sie über diese und andere Herausforderungen in ihrem neuen Job in Oberhausen.
Frau Hadrossek, wir sehen weltweit die Folgen des Klimawandels. Worauf wird sich Oberhausen, werden sich die Wirtschaftsbetriebe einstellen müssen?
Julia Hadrossek: Auch bei uns in Oberhausen erleben wir immer häufiger extreme Wetterereignisse. Beispielsweise haben die Starkregenereignisse in den vergangenen Jahren auch hier deutlich zugenommen. Und es werden weitere folgen. Da wir als Wirtschaftsbetriebe unter anderem auch für den Kanal- und Straßenbau in Oberhausen zuständig sind, betreffen uns derartige Folgen des Klimawandels in hohem Maße.
Wie gut ist Oberhausen gegen Starkregen gewappnet? Wie bereiten Sie sich vor?
Wir müssen vor allem ein Regenrückhalte-System schaffen, um die Wassermassen aufzunehmen, damit es nicht zu Überschwemmungen kommt. Das derzeitige Volumen ist ausreichend, aber nach jedem Starkregen schauen wir genau hin und prüfen, ob wir nachbessern müssen. Zudem müssen unsere Pumpwerke technisch gut ausgerüstet sein, damit wir bei Starkregen einen Puffer haben. Daran arbeiten die Wirtschaftsbetriebe aber schon seit Jahren. Wir schauen immer darauf, möglichst klimaresilient zu planen.
Gibt es neuralgische Punkte in Oberhausen, die bei Starkregen besonders betroffen wären?
Wir haben auf Oberhausener Stadtgebiet verschiedene Senken, die wir im Blick haben, etwa die Bahn-Unterführung in Holten. Auch an anderen Stellen gibt es Senken im Stadtgebiet, Oberhausen ist immerhin Bergbau-Stadt. Über unser Prozessleitsystem haben wir die Regenmengen immer im Blick. Bis 40 Liter pro Quadratmeter und Stunde sind an den meisten Stellen unproblematisch, dann wird es langsam kritisch. (Zum Vergleich: Bei bis zu 25 Litern pro Quadratmeter und Stunde sprechen Experten von markantem Wetter, bei bis zu 35 Litern von Unwetter, Anm. d. Red.) Über unsere Systeme behalten wir eine gute Übersicht, unser Bereitschaftsdienst ist sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Tag besetzt. Wir wissen, wo Handlungsbedarf ist, und sind gut aufgestellt, daran zu arbeiten.
Können Sie beziffern, wie viel Sie die Klima-Anpassung kosten wird?
Nein, da lässt sich keine Zahl in den Raum stellen. Im Moment finanzieren wir alle Anpassungen am Kanalsystem aus dem Budget, das uns für die Instandhaltung des Kanalnetzes zur Verfügung steht.
Welche Herausforderungen hat das Oberhausener Wetter noch zu bieten?
Im Winter müssen wir natürlich immer mit Schnee rechnen. Ich erinnere mich an das Jahr 2021, als die Region massiv betroffen war. Daraus haben auch die Wirtschaftsbetriebe gelernt. Wir halten zum Beispiel Räumfahrzeuge mit montierter Schneeschaufel vor. Im Norden von Oberhausen, wo es schneller auch mal frostig werden kann, haben wir eine neue Wetterstation installiert, um besser auf Vorhersagen reagieren zu können. Die Station arbeitet seit drei Monaten und liefert Wetterdaten wie Luftfeuchtigkeit, Temperatur und Niederschlagswahrscheinlichkeit.
Oberhausen liegt nicht in Tirol, wo die Schneewahrscheinlichkeit im Winter bei annähernd 100 Prozent liegt. Dort dürfte man besser auf Schneefall vorbereitet sein. Das können Städte wie Oberhausen doch gar nicht leisten, oder?
Absolut richtig. Wir müssen priorisieren, auch aus wirtschaftlichen Gründen. Nach Wintern wie 2021 werden immer Forderungen laut, Wirtschaftsbetriebe müssten sich besser vorbereiten. Natürlich schauen wir, wo wir uns verbessern können. Unser Ziel ist – und darauf sind wir vorbereitet – den Winterdienst koordiniert abzuarbeiten.
Bürgerinnen und Bürger zahlen mit ihren Gebühren für die Dienste der WBO. Oberbürgermeister Daniel Schranz hat im vergangenen Jahr gesagt, die Chance, dass diese Gebühren bis 2025 stabil bleiben, stünden ganz gut. Sagen Sie das auch?
Die Kosten der WBO, die die Gebühren beeinflussen, bleiben stabil.
Stehen die Wirtschaftsbetriebe finanziell auf soliden Füßen?
Ja. Wir sehen natürlich Herausforderungen wie die Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst, die die Personalkosten in die Höhe treiben. Nichtsdestotrotz kann man aber sagen, dass wir auf soliden Füßen stehen und dass wir mit Blick nach vorn auch solide bleiben werden.
2022 wurde entschieden, dass Sie künftig mehr Aufgaben übernehmen sollen, die Reinigung der Autobahnauffahrten zum Beispiel, die Reinigung von Straßenkante zu Straßenkante oder auch eine verstärkte WBO-Präsenz in den Innenstädten. Mehr Geld bekommen Sie dafür von der Stadt nicht.
Ja, das stimmt. Das sind zahlreiche Maßnahmen an Mehrleistungen. Wir haben jetzt beispielsweise drei Quartiers-Verantwortliche in den Stadtteilen, die dort echt einen tollen Job machen. Sie haben einen direkten Blick auf mögliche Probleme und koordinieren so die Arbeiten. Unsere Kolonnen können dadurch schneller dezidiert agieren. Wir weiten außerdem in diesem Jahr unser Angebot der Laubkörbe aus. Bislang standen im Herbst gut 300 solcher Laubkörbe im Stadtgebiet, in diesem Herbst werden es rund 550 sein. Wir stimmen gerade die genauen Standorte ab. Um all diese Aufgaben zu bewältigen, haben wir rund 15 neue Mitarbeitende eingestellt.
Haben die Wirtschaftsbetriebe kein Problem, ausreichend Fachkräfte zu gewinnen?
Doch, wir spüren den Fachkräftemangel natürlich auch. Wir suchen in vielen Bereichen neue Kräfte, vom klassischen Berufskraftfahrer bis zum Bauingenieur. In diesem Jahr konnten wir elf Azubis einstellen, für nächstes Jahr suchen wir noch und haben die Bewerbungsphase jetzt erst einmal verlängert. Wir setzen viel Hoffnung in unsere Auszubildenden, denn es ist immer am schönsten, die Fachkräfte-Stellen aus den eigenen Reihen besetzen zu können. Leider reicht das nicht aus, wir müssen auch auf dem freien Markt schauen.
Wie machen Sie das?
Wir haben festgestellt, dass sich die Wege und Kanäle, auf denen man potenzielle Kandidaten findet, geändert haben. Wir beabsichtigen, neue Wege zu gehen, wie etwa über ein Projekt ,Mitarbeiter werben Mitarbeiter’. Wenn jemand in einem Unternehmen tätig ist und sich dort wohlfühlt, geht er in seinem persönlichen Umfeld auf Leute zu, die womöglich eine neue Herausforderung suchen.
Wo müssen Sie noch umdenken?
Bei den Bewerbungen, die uns erreichen. Früher hätte man einen Dreizeiler per E-Mail vermutlich sofort in die Ablage geschoben. Aber wir haben festgestellt, dass Bewerber, die vielleicht keine perfekte Mappe einreichen, trotzdem sehr gut in dem Job sein können, für den sie sich bewerben. Wir dürfen die Bewerbungs-Hürden nicht zu hoch ansetzen, sonst erreichen uns viele talentierte junge Menschen vielleicht gar nicht erst.
Wie sehr triggert Sie der Begriff wilde Müllkippe?
Wir haben tatsächlich sehr viele wilde Müllkippen in Oberhausen, allein im vergangenen Jahr waren es mehr als 3000 – vom im Gebüsch entsorgten Müllsack bis zum nicht angemeldeten Sperrmüll-Berg am Straßenrand. Die Zahl ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Das bedeutet einen hohen personellen Aufwand, denn wir sind mit insgesamt drei Personen täglich unterwegs, um den ganzen Müll zu beseitigen. Wir haben eine relativ gute Reaktionszeit; in der Regel beseitigen wir den Müll spätestens am Tag nach der Meldung. Das birgt aber auch die Gefahr, dass sich die Leute daran gewöhnen, getreu dem Motto: Irgendeiner räumt’s schon weg.
Wie sieht es denn insgesamt mit der Disziplin der Oberhausener aus? Trennen die Bürger ihren Müll richtig? Oder landet der Bauschutt auch mal in der Gelben Tonne?
Nein, das ist grundsätzlich schon in Ordnung. Wir können nicht meckern.
Wie steht Oberhausen im Vergleich bei der Quote der Biomüll-Tonnen da? Immerhin kann Biomüll, verwertet zu Biogas, zur Wärmewende beitragen.
Wir haben in Oberhausen einen relativ hohen Anteil an Restmüll. Das spricht meistens dafür, dass darin noch relativ viel Bioabfall landet. Es gibt also beim Trennen der Bioabfälle noch Potenzial nach oben. Allerdings entsorgen die Oberhausener dafür sehr viel Grünschnitt und Laub bei uns. Im Jahr sind das 6000 bis 7000 Tonnen. (Zum Vergleich: Im Jahr fallen rund 50.500 Tonnen Restmüll und 1700 Tonnen Biomüll an, Anm. d. Red.) Das leistet auch bereits einen super Beitrag zur Wärme- und Energiewende, da nicht nur der Bioabfall aus der Tonne, sondern auch der Grünschnitt bei der Vergärung in Bio-Methan und letztlich auch Strom umgewandelt wird.
Jeder von uns kann also einen wenn auch kleinen Beitrag zur Energiewende leisten, wenn wir unsere Küchenabfälle in der Biotonne entsorgen?
Ja. Und er kann sogar einen echten finanziellen Vorteil daraus ziehen: Wer den Biomüll konsequent in der separaten Biotonne entsorgt, benötigt dafür weniger Platz in der Restmüll-Tonne und kann so die Leerung beispielsweise von wöchentlich auf 14-täglich umstellen. (Eine 80 Liter fassende Restmülltonne kostet derzeit bei wöchentlicher Leerung rund 192 Euro im Jahr, bei 14-täglicher Leerung 96 Euro. Eine 80-Liter-Biotonne kostet bei 14-täglicher Leerung 72 Euro im Jahr, Anm. d. Redaktion.)
Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für die WBO der kommenden Jahre?
Im Fachkräftemangel, beim Klimawandel, aber auch bei der zunehmenden Digitalisierung. Unsere Mülltonnen werden mittlerweile per Strichcode bei der Leerung gescannt. Das hilft bei der Zuordnung innerhalb einer Straße und der Planung der Touren. Im Bereich ,Kanäle und Straßen’ sind wir gerade dabei, ein neues Monitoring-System einzuführen, das uns wichtige Daten aus dem Straßen- und Kanalnetz übermittelt, wie den Wasserstand bei Starkregen zum Beispiel. Wir müssen immer auch schauen, dass Anschaffungen wirtschaftlich bleiben, aber grundsätzlich sehe ich bei uns in Sachen Digitalisierung noch Potenzial zur Verbesserung. Und beim Thema Klimawandel sind wir als Wirtschaftsbetriebe natürlich nicht nur in der Verantwortung, das Straßen- und Kanalnetz fit zu machen für Starkregen. Wir müssen auch selbst unseren Beitrag leisten. So fahren unsere Planer beispielsweise mit dem E-Auto zu Baustellen. Andere Fahrzeuge fahren mit Bio-Kraftstoff und wir haben einen mit Wasserstoff betriebenen Müllwagen in unserer Flotte. Wir möchten da Vorreiter sein und möglichst schnell eine klimafreundlichere Lösung schaffen.