Oberhausen. Im Sommer zieht die Linke aus ihren Räumen im Europahaus aus. Die neue Eigentümerin sucht einen Nachfolger – und verspricht fürs Gebäude viel.
Das Europahaus am Friedensplatz ist zwar schon fast 70 Jahre alt und hat viel erlebt. In jüngerer Zeit trug das markante Gebäude allerdings auch einige Narben davon. Nach einem Anschlag auf das Büro der Linken Liste folgte ein verheerender Wohnungsbrand, durch den ein Kind verletzt wurde. Im Erdgeschoss verließ Ende des Jahres ein Senioren-Café seine Räume. Der Leerstand greift um sich. Die neue Eigentümerin verspricht aber: Sie will Gas geben. Bis zum Sommer 2024 sollen die Wohnungen „komplett“ saniert sein, kündigt das hessische Immobilienunternehmen W&L AG (Bad Soden am Taunus) gegenüber dieser Redaktion an. Ein Nachfolger für die Büros der Linken ist noch nicht gefunden.
Sichtbar ist die Entwicklung im Erdgeschoss. Ein Künstler ist in das Ecklokal an der Elsässer Straße eingezogen. Bis Ende Mai beschäftigt sich eine Ausstellung mit dem Eurovision Song Contest. Es soll der Auftakt werden für diverse kulturelle Schwerpunkte. Denn die Stadt hat für drei Jahre eine Fläche von 450 Quadratmetern angemietet, um mit Hilfe der Kunst den Leerstand zu bekämpfen.
Absage für Idee eines Mehrgenerationenhauses
Damit wird zumindest ein Vorhaben konkret. Ein anderes erhält dafür eine Absage. Die SPD veranlasste die Verwaltung zur Prüfung eines Mehrgenerationenhauses. Das Begehren sorgte kurzfristig für Irritationen bei der neuen Eigentümerin. Als die Besitzverhältnisse im August vergangenen Jahres zur W&L AG wechselten, war man in Hessen erstaunt über die Anfrage eines Architekturbüros, das Einsicht in den Brandschutz haben wollte. Das Architekturbüro handelte im Auftrag der Stadt, und der lautete eben: Prüfung eines Mehrgenerationenhauses.
Für die Umsetzung hätte es der Zustimmung der neuen Besitzerin bedurft, oder aber die Stadt hätte das Gebäude kaufen müssen. Aber das scheint gar nicht realistisch zu sein. Das von der Stadt beauftragte Architekturbüro Funke Popal Storm (Oberhausen) verweist in einer elfseitigen Analyse zum Europahaus auf die immensen Herausforderungen, die der Umbau mit sich bringen würde.
Das Treppenhaus ist danach viel zu schmal gebaut, ebenso die Wohnungen, deren oberstes Ziel in der Nachkriegszeit war, Wohnraum zu schaffen. Die überwiegenden Wohnungsgrößen von 50 Quadratmetern entsprechen nicht mehr den heutigen Ansprüchen von Familien mit kleinen und größeren Kindern. Auch müssten Balkone gebaut werden, um die Wohnungen für gehbehinderte Menschen attraktiv zu machen. Aber das lässt sich in einem denkmalgeschützten Gebäude nicht ohne Weiteres machen.
Das Fazit der Architekten klingt dann so: „Die benannten strukturellen Schwächen, in Verbindung mit den erforderlichen Ertüchtigungen in Bezug auf Brandschutz und Energieeffizienz, sowie der Ungewissheit hinsichtlich möglicher Schadstoffbelastungen, lassen es unwahrscheinlich erscheinen, dass eine Umnutzung zum Mehrgenerationenhaus zu wirtschaftlich sinnvollen Bedingungen möglich ist.“
Umbau würde 20 Millionen Euro kosten
Andreas Kußel, Betriebsleiter der Service-Betriebe Oberhausen, hat in seiner schriftlichen Beurteilung dann noch das Kernargument für Oberhausen formuliert. Die Kosten würden grob kalkuliert bei zwanzig Millionen Euro liegen, inbegriffen ist der Kaufpreis in Höhe von sieben bis neun Millionen Euro. Die Stadtverwaltung schlägt deshalb vor, den Ankauf der Immobilie und die Idee eines Mehrgenerationenhauses nicht weiterzuverfolgen.
Worauf können die Mieterinnen und Mieter dann bauen? Zunächst einmal nur auf die Aussagen der neuen Eigentümerin. Und die klingen nach dem Frust der vergangenen Jahre vielversprechend. Im Sommer sollen neue Haustüren und Klingeln verbaut werden, nach Aussage von Vorstand Christoph Straube lagern diese bereits in Oberhausen. Momentan fehlen noch die Briefkästen. Dafür sind die Fenster für das Büro der Linken da, die durch den Anschlag zerstört wurden. „Wir wollen bis zum nächsten Jahr Gas geben“, verspricht Straube. Die Wohnungen, die durch das Feuer im November beschädigt wurden, seien entkernt. Sie sollen nun saniert werden. Die Schadenshöhe beläuft sich auf 1,1 Millionen Euro.
Eigentümerin zahlte 40.000 Euro für Hotel-Übernachtungen
Für die Mieterinnen und Mieter, die zwischenzeitlich in Hotels übernachten mussten, zahlte W&L 40.000 Euro. Laut Straube aus eigener Tasche, denn dafür komme die Versicherung nicht auf. Sie sollen im nächsten Jahr frisch renovierte Wohnungen beziehen können.
Die Linke sucht derweil nach einer neuen Bleibe. Sie war unzufrieden mit der neuen Eigentümerin. Die vordere Fläche, wo der Anschlag verübt wurde, wurde ihr gekündigt. Den hinteren Bereich kündigte sie daraufhin selbst. Womöglich mietet die Stadt noch weitere Flächen an. Angeblich zeigt sie Interesse.