Oberhausen. Hans Zimmer startet in Oberhausen seine Tour. Im Interview spricht der Filmmusik-Star über ein Leben zwischen Giuseppe Verdi und Billie Eilish.
Seinen zweiten Oscar für das Science-Fiction-Spektakel „Dune“ hat Hans Zimmer (65) im Bademantel in Empfang genommen. Statt in Hollywood über den roten Teppich zu stolzieren, spielte der Star-Komponist im vergangenen Jahr lieber Konzerte in Europa. Die Oscar-Nacht verbrachte er in einem Amsterdamer Hotel. Seine Tochter überraschte ihn am frühen Morgen mit einer Statue aus Plastik. Hotel-Erdnüsse statt Nobel-Häppchen.
Wenn der Filmmusik-Großmeister am Sonntag, 23. April 2023, in der Arena Oberhausen seine neue Europa-Tournee beginnt, wird er mit einer großen Band samt Orchester verschmelzen - und mit Konventionen brechen. In unserem Interview sagt der Maestro: „Einen Dirigenten gibt es bei uns nicht. Welcher Zuschauer möchte schon den ganzen Abend einen Rücken sehen?“
Hans Zimmer: Giuseppe Verdi? Bei Lobhudelei winkt er ab
Seine Filme kennt so ziemlich jeder: „Der König der Löwen“, „Da Vinci Code“, „Interstellar“, „Gladiator“ - zuletzt legte Zimmer bei der Fortsetzung des Flieger-Blockbusters „Top Gun“ musikalisch Hand an.
Normalerweise arbeitet der gebürtige Frankfurter abgeschnitten vom Publikum. Fans hören die Musik im Kino, er tüftelt in fensterlosen Studioräumen. Die Konzerte ändern nun alles: „Ich wollte dem Publikum endlich in die Augen schauen.“
Wenn ihn Leute bauchpinseln, ihn als Giuseppe Verdi unserer Tage bezeichnen, winkt der zwölffach Oscar-Nominierte mit den 160 vertonten Filmen hastig ab. „Ich bin nur Giuseppe Zimmer.“ Übermäßige Huldigungen sind dem Autodidakten, dessen Stern auf dem berühmten Walk-of-Fame in Hollywood funkelt, unangenehm.
Er stürzt sich lieber in die Arbeit. Dann aber gerne mit Pop-Megastars wie Billie Eilish (21), wie beim letzten James Bond. „Wir sind gute Freunde geworden.“ Das Armbändchen von der 007-Premiere trägt Zimmer immer noch am Handgelenk. Zu „Keine Zeit zu sterben“ schrieb der Komponist die Orchestermusik, integrierte diese auch in den Titel-Song „No Time to Die“. „Billie hat sehr plausibel erklärt, was ihr gefällt und was nicht.“
Der Deutsche lebt im Großraum von Los Angeles, arbeitet hin und wieder von London aus. In seiner kleinen Wohnung in München ist er hingegen selten. Wenn der Musiker wieder an Klangteppichen strickt, taucht er in die Emotionen des Films ein. Zum Menschenfresser ist er trotzdem nicht geworden, als er mit Regisseur Ridley Scott die „Das Schweigen der Lämmer“-Fortsetzung „Hannibal“ vertonte. „Das liegt daran, dass wir Hannibal als absurde Komödie gesehen haben.“
Hans Zimmer: Der Kriegsausbruch in der Ukraine hat ihn belastet
Der reale Horror, der Kriegsausbruch in der Ukraine, habe ihn dagegen persönlich sehr belastet. Nicht nur, weil er das aktuelle Geschehen gedanklich in jedes Projekt mitnehme, wie er sagt. Für die vergangene Konzert-Tour schaffte es nur eine Handvoll seiner ukrainischen Orchester-Musiker aus den Kriegswirren heraus.
Ein ukrainischer Pianist spielte Zimmers berühmte „Time“-Melodie aus dem Film „Inception“ auf einem öffentlichen Platz in Lwiw, während die Sirenen heulten. Das Instagram-Video machte im Internet die Runde. Zimmer baute es bei einem Konzert in London ein. „Ich habe gesagt: Bitte denkt daran, dass ihr das Stück ohne Bomben hören könnt. Was für ein Glück ihr habt, dass ihr hier geboren seid.“ Humanistische Zeichen sind für ihn selbstverständlich.
Die Auswahl der Konzertmusik ist für Hans Zimmer immer ein Kraftakt. Nicht nur Kassenschlager wolle er spielen. Es gelte die Devise: „Ein Stück ist für euch, eins für mich.“ Frühe Filme aus mehr als vier Jahrzehnten Hollywood wie „True Romance“ oder „Rain Man“, schaffen es trotzdem selten in die Konzerte. Das Problem: „Wir haben die Partituren nicht mehr, sie gehören den Film-Studios. Die haben die Noten früher einfach weggeschmissen, weil sie in ihren Bibliotheken plötzlich Platz brauchten.“
Hans Zimmer: Die erste Konzert-Fassung dauerte sieben Stunden
Seine allererste Konzert-Fassung dauerte monumentale sieben Stunden. „Doch der Spaß hört auf, wenn die Leute hinterher ihren Zug nicht mehr bekommen.“ Jetzt sind es zweieinhalb Stunden Filmmusik, die Zimmer für Oberhausen plant.
„Wir machen alles falsch“, sagt er mit einem Augenzwinkern. Vorher hätten sie ihm geflüstert, das moderne Publikum vertrage höchstens drei Minuten lange Musikstücke. Pustekuchen. „Unser Suite zu ‚Fluch der Karibik‘ ist 14 Minuten lang. ‚Batman‘ dauert sogar 22 Minuten.“
Schmale Kost müssen Fans zum Tourstart also nicht befürchten - der in Oberhausen kein Zufall ist. „Wir haben vor sieben Jahren kurz nach dem Tod von Prince in Oberhausen ‚Purple Rain‘ gespielt. Das hatte die Band unterwegs noch im Tourbus geprobt.“ In der Halle habe er gespürt, wie das Publikum den Song emotional mitgetragen hat. „Dadurch sind es keine traurigen Erinnerungen.“
>>> Hans Zimmer live - hier gibt es noch Eintrittskarten
Die Premiere der Live-Tour 2023 von Filmmusik-Star Hans Zimmer ist am Sonntag, 23. April, in Oberhausen schon ausverkauft. Gleiches gilt für die Konzerte in Frankfurt (27. April), Stuttgart (29. April), Hannover (20. Mai), München (24. Mai), Berlin (26. Mai), Hamburg (28. Mai) und Köln (9. Juni). In Deutschland gibt es nur noch Resttickets für das Zusatz-Konzert in Berlin (27. Mai).
Das Orchester-Konzert „The World of Hans Zimmer - A new Dimension“ gastiert am Sonntag, 17. März 2024, in der Rudolf-Weber-Arena in Oberhausen. Hans Zimmer wird bei dieser neuen Tour voraussichtlich nicht persönlich anwesend sein. Dafür arrangieren Musiker aus seinem engen Umfeld, wie Gavin Greenaway, die bekannten Soundtracks.