Oberhausen. Rückblick auf ein „schwarzes Jahr“, aber auch große Hilfsbereitschaft für Partnerstadt Saporishja. OB Schranz ist bei Gedenken in Berlin dabei.

Am 24. Februar 2022 begann Russland den Angriffskrieg auf die Ukraine – und führt ihn 365 Tage später noch immer unerbittlich fort. Viele Menschen in Oberhausen haben in diesem Zeitraum mit viel Empathie und Hilfsbereitschaft auf die grausamen Geschehnisse in dem osteuropäischen Land reagiert. Vor allem mit den Einwohnern der Partnerstadt Saporishja war und ist die Solidarität groß. Mehr als 550.000 Euro konnte der Verein „Oberhausen hilft“ sammeln, zwölf Lkw mit Hilfsgütern wurden auf den Weg gebracht. Jetzt blickten die Verantwortlichen zusammen mit Vertretern der Stadt und weiteren Unterstützern zurück auf ein trauriges Kapitel der Städtepartnerschaft, das längst nicht abgeschlossen ist.

Gefragt nach seinen Gefühlen, was die vergangenen zwölf Monate Engagement bei „Oberhausen hilft“ angeht, beschreibt Geschäftsführer Wolfgang Heitzer das Bild, das sich ihm bot, als er einige der allerersten Geflüchteten am Hauptbahnhof abholte. „Da war eine Mutter mit ihren Kindern, die hatten dreieinhalb Tage Anreise hinter sich. Sie können sich also vorstellen, wie sie aussahen. Ganz blasse Gesichter. Die Kinder hatten nur diese kleinen Rucksäcke dabei. In die hatten sie ein paar Spielsachen gesteckt.“ Die Erinnerung geht ihm nahe, das sieht man Wolfgang Heitzer an. Es ist eines von vielen Bildern, die sich ihm und seinen Mitstreitern eingebrannt haben dürften.

Kinder bringen Schlafsäcke und spenden ihr Taschengeld

Drei Männer sind es, die „Oberhausen hilft“ hauptsächlich am Leben erhalten. Neben Heitzer sind das Jörg Bischoff als Vorsitzender des Vereins und André auf der Heiden als sein Stellvertreter. Unermüdlich haben sie in Kooperation mit dem Runden Tisch der Stadt Oberhausen um Spenden geworben. Nach Rücksprache mit den Partnern in Saporishja kauften sie die benötigten Dinge ein und schickten sie los. Dabei wurden sie von unzähligen Initiativen aus allen Bereichen der Stadtgesellschaft unterstützt, wie André auf der Heiden berichtet. „Es gab Spendenläufe und Friedenstage an Schulen, Charity-Konzerte aus der Kulturszene, Spendenaktionen von Kleingärtnern.“ Die Resonanz sei großartig gewesen. Besonders berührend sei die Begegnung mit Kindern gewesen, die ebenfalls etwas beitragen wollten. Wie jene, die bei einer Sammelaktion mit Terre des Hommes ihre eigenen Schlafsäcke vorbeibrachten, oder der kleine Junge, der 1,50 Euro von seinem Taschengeld spendete.

Engagiert für Saporishja: (v.l.) Oberbürgermeister Daniel Schranz, Wolfgang Heitzer (OB hilft), Holger Füngerlings (Terre des Hommes), Beigeordneter Frank Motschull, Jörg Bischoff (OB hilft), Joachim Deterding (Ev. Kirchenkreis), André auf der Heiden (OB hilft).
Engagiert für Saporishja: (v.l.) Oberbürgermeister Daniel Schranz, Wolfgang Heitzer (OB hilft), Holger Füngerlings (Terre des Hommes), Beigeordneter Frank Motschull, Jörg Bischoff (OB hilft), Joachim Deterding (Ev. Kirchenkreis), André auf der Heiden (OB hilft). © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

120 Tonnen an Hilfsgütern haben Saporishja in diesem Kriegsjahr aus Oberhausen erreicht. Der Schwerpunkt lag bei Kinderkrankenhäusern und Waisenhäusern. Sie erhielten 2400 liebevoll gepackte Schuhkartons zu Weihnachten und haufenweise Winterjacken. Von Anfang an stand für die Helfer fest: Sie wollen die Spender emotional mitnehmen, ihnen zeigen, wo ihr Geld oder ihre Sachen gelandet sind. So entstand die Idee, dass die Kinder mit den Geschenken und in der neuen Kleidung fotografiert werden. Die Bilder wurden in den Newslettern abgedruckt: traurig-schöne Dokumente einer harten Zeit.

Willkommen in Oberhausen: 3200 Geflüchtete kamen bisher in die Stadt

Auch Oberbürgermeister Daniel Schranz lobt die „ungebrochene Solidarität“ vieler Oberhausener mit den Ukrainern während dieses „schwarzen Jahres“. Das Spendenvolumen sei unglaublich hoch. Eine eindrucksvolle Leistung sei auch die gelungene Aufnahme von aktuell 3200 Geflüchteten in der Stadt. „Dies war dank des außerordentlichen und beeindruckenden Engagements der Stadtgesellschaft möglich“, sagt Schranz. Fast 80 Prozent derer, die in Oberhausen Zuflucht suchten, seien inzwischen in privatem Wohnraum untergekommen. Besonders unterstrich Schranz auch den Einsatz der Schulen. Für nahezu alle 747 Kinder zwischen sechs und 16 Jahren habe man einen Platz finden können, nur vier Schüler seien bisher unversorgt.

„Wir sind nicht müde“, sagt Wolfgang Heitzer nach einem aufreibenden Jahr. „Auch wenn die Nachrichten manchmal bedrückend sind“, stimmt Jörg Bischoff zu, „fragen wir uns immer: Was können wir machen? Die Hilfe, die von allen Seiten kommt, gibt uns Mut und treibt uns an.“ Wenn der Wunsch nach Leichensäcken oder schmerzstillenden Infusionen aus Saporishja sie erreicht, dann müssen auch sie schlucken, „aber wir sind so vielen aufgeschlossenen, tollen Menschen begegnet“, sagt André auf der Heiden. „Und wenn man 130 Kinder vor sich hat, die einen Spendenlauf machen, dann motiviert das.“

Für die Zukunft bleibe die Hoffnung auf ein Ende des Krieges – und auf weitere Unterstützung durch die Oberhausenerinnen und Oberhausener. „Wir werden einen langen Atem brauchen“, sagt Jörg Bischoff. „Es ist so viel zerstört worden. Selbst, wenn wieder Frieden herrscht, werden wir auf lange Zeit helfen müssen.“ Auch der Oberbürgermeister appelliert, nicht nachzulassen im Bemühen um Saporishja. Schranz: „Unsere Städtepartnerschaft gilt in guten wie in schlechten Zeiten.“ Mit dieser Botschaft wird er auch nach Berlin reisen, zur Gedenkveranstaltung zum Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine auf Einladung des Bundespräsidenten.

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